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09.09.2014 17:00 Uhr Kulturpalast

Sendungstitel
Büchersendung: Emilies Schweigen
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Eine Novelle, die vom Verrat am Leben handelt, aber auch von der Menschenwürde, die am Willen eines jeden hängt, der für sich und andere spricht und am Ende – hoffentlich – die Liebe trifft.

David Mohr, Mitte dreißig, ist im Begriff, als Jurist Karriere zu machen. Schuldig oder nicht schuldig, das ist für ihn im Fall Emilie T. bald nicht mehr die Frage, denn er ist sich sicher: Emilie ist mitverantwortlich für den Tod von vielleicht sechzig oder siebzig sterbenskranken Menschen. Die Krankenschwester hat aktive Sterbehilfe geleistet, doch gibt es weder Zeugen noch Beweise. Und Emilie schweigt. David, ihr Pflichtverteidiger, leitet aus diesem Schweigen seine Strategie ab, lässt den Prozess buchstäblich in die Leere laufen, entlarvt jede Geschichte, die sich an Indizien entwickelt, als bloße Spekulation.

Markus Bundi inszeniert diesen Prozess einerseits als Wechselspiel von Verfahren und medialer Zubereitung (wofür es inzwischen viele reale Vorbilder gibt); andererseits zeichnet er den Pflichtverteidiger als eine Figur der heutigen Gesellschaft, effizient und erfolgsorientiert, aber noch nicht ganz unempfindlich.
David bekommt Zweifel an den Mechanismen der Rechtsprechung und er zweifelt je länger, je mehr an sich selbst: Sein leichtfertiger Umgang mit Substanzen, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern (wofür es ebenfalls Vorbilder gibt; Stichwort: Ritalin, Modafinil), kostete ihn seine letzte Beziehung, auch wenn er das so zunächst nicht einsehen will. Im Verlauf des Prozesses wird David klar, dass Sterbehilfe nicht nur ein juristisches Thema ist und dass sein eigenes Leben – und jenes mit Margarethe – womöglich noch gar nicht begonnen hat.

Ein paar Zeilen zur Probe:

Markus Bundis "Emilies Schweigen" ist eine Novelle über Rechtsprechung und Menschenwürde, Schuld und Sterbehilfe, Wahrheit und Spekulation.

»Die Angeklagte war fünfunddreißig Jahre alt, von schlanker Statur und hatte ein kindliches Gesicht. Brünettes, halblanges Haar, wohl nicht gefärbt. Dezent geschminkt war die Frau. In der weißen Bluse und dem blauen Jackett hätte man sie für eine Geschäftsfrau halten können oder für eine Stewardess.

Was hätte man sehen wollen? – Eine Frau im Büßergewand. Eine Frau, die des siebenundvierzigfachen Mordes angeklagt war, konnte nicht normal aussehen. Von einem Todesengel, von einer Bestie hatten die Medien berichtet. Jeder Sachverständige und jede Expertin, ob selbsternannt oder dazu gemacht, war zu Wort gekommen. Zurückhaltung übten nur wenige, ein klares Bild von Emilie T. ergab sich aus der Vielzahl der Meinungen nicht.

Die Angeklagte schwieg. Ihr Verteidiger plädierte auf nicht schuldig, es handle sich, wenn überhaupt, um Sterbebegleitung. Als Motiv komme einzig Nächstenliebe in Frage. Damit war die Sache angerichtet.«

Weitere Informationen

Emilies Schweigen

Eine Ausgabe der Sendung Kulturpalast.

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