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Header Hochdrucklautsprecher vor Bäumen

Wind of change? – Die Zeichen mehren sich

Ein knappes Jahr ist es jetzt her, dass die neue Landesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Nachdem in letzter Sekunde noch ein Satz in die Koalitionsverhandlungen aufgenommen wurde, der sehr allgemein aber auch plakativ die Verbesserung der Situation der Freien Radios im Land thematisierte, bestand ein wenig Hoffnung, dass wir das Rad doch noch ein bisschen zu unseren Gunsten in Schwung bringen könnten. Einige Gespräche fanden statt. Die danach einsetzende Funkstille führte zu der Annahme, dass wir eines der Themen für die lange Bank werden würden, für die es bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr gereicht hat. An dieser Stelle hatten wir schon ausreichend Gelegenheit, dieses unförmige Sitzmöbel zu beschreiben (Modulator 0506|2011). Jetzt aber scheinen doch unverhofft ein paar Förster den Auftrag bekommen zu haben, ihre Sägen an die Bank zu legen:

Ohne Auftrag erreichte uns zunächst eingangs des Jahres ein Anruf der LfK (Landesanstalt für Kommunikation) mit der Bitte, doch eine Liste dringend benötigter Investitionen bis zur Höhe von 15.000 EUR je Veranstalter_in vorzulegen, da beabsichtigt sei, im Landeshaushalt 2012 zugunsten der Freien Radios Geld locker zu machen. Das alles möglichst innerhalb einer Woche, damit ggf. schnell auf eine Bedarfsanfrage der Regierung geantwortet werden könne. Wenig später sickerte dann durch, dass tatsächlich 97.000 EUR in den Staatshaushalt 2012 eingeplant worden waren, um die Situation der Freien Radios allgemein zu verbessern. Regierung wie Parlamentarier gingen da aber weniger von Investitionen aus bzw. überließen es den ausführenden Stellen, in Absprache mit den Veranstaltern heraus zu finden, wo denn die größten Bedarfe liegen.

War zunächst angedacht, mit Hilfe des Landesverbands der Freien Radios selbst und ohne größeren bürokratischen Aufwand die Landesgelder zu verteilen, so gab es doch alsbald verfassungsrechtliche Bedenken. Aufgrund der Erfahrungen in der NS-Zeit legten die Väter und Mütter der Verfassung besonders großen Wert in die Unabhängigkeit der Medien und stellten dazu fest, dass diese so staatsfern wie möglich zu stellen seien. Ein Landesverband der Freien Radios, der unmittelbar mit dem Staatsministerium über eine Finanzquelle verbunden ist, sei doch ein zu großes verfassungsrechtliches Risiko. Die Auszahlung der Sonderfördermittel über die LfK könne dieser Staatsferne das nötige Gewicht verleihen.

So weit, so schlecht: Sankt Bürokratius muss nämlich jetzt die Schnecken aus der Garage holen und erst mal für die nötige Schleimspur sorgen. Das beginnt mit dem Entwurf von Förderrichtlinien durch die LfK, die vom Vorstand beschlossen werden müssen, führt dann zu einer Vorlage des Staatsministeriums für den Finanzausschuss, der mit dieser Form der Geldvergabe einverstanden sein muss. Anschließend kann dann das Geld in den Haushalt der LfK überführt werden. Damit diese es ausgeben kann, braucht sie einen Nachtragshaushalt, der von Vorstand und Medienrat beschlossen bzw. genehmigt werden muss. Dann können die Freien Radios erst Finanzanträge stellen, die bearbeitet und beschieden werden müssen. Ist dann auch der Rechtsbehelfsverzicht unterschrieben und zurückgesandt, dann, ja dann… steht einer zügigen Auszahlung nichts mehr im Wege. Läuft alles gut, so ist die Soforthilfe 2012 der Landesregierung doch tatsächlich schon im November 2012 auf den Bankkonten der Freien Radios. Wenn nicht, reicht es immerhin zu einem Weihnachtsgeschenk für sie.

Dabei ist die parlamentarische Absicht, mit der diese Förderung den Anfang nahm, durchaus zu loben. Was die Verwaltung daraus macht oder sagen wir besser machen muss, um in keine Legitimitätsfalle zu tappen, ist der Preis der Demokratie. Oder hätten Sie unter dem Stichwort „Soforthilfe“ etwas anderes verstanden?

Dafür zeigt sich an anderer Stelle, dass mit der notwendigen Ernsthaftigkeit tatsächlich an einer nachthaltigen Verbesserung der Situation gearbeitet wird: Die Freien Radios wurden eingeladen zu äußern, wie sie denn gern das Landesmediengesetz zu ihren Gunsten verändert haben möchten. Geplant sei, das Landesmediengesetz noch in diesem Jahr zukunftssicher und nachhaltig zumindest für den Rest der Legislaturperiode so zu ändern, dass es für ihre Bedürfnisse optimiert werden könnte.

Landesweit haben deshalb die verantwortlichen Gremien die Köpfe zum Rauchen gebracht und überlegt, wie denn das aussehen könnte. Zunächst gilt es dabei, die Situation der Freien Radios so zu stabilisieren, dass sie als eine fest Säule der Medienlandschaft in die bestehende Senderhierarchie eingebaut werden. Einfacher ausgedrückt: Freie Radios sind neben dem öffentlich-rechtlichen und dem privat-kommerziellen Rundfunk die dritte Kraft im Land, die zu hegen und zu pflegen ist. Bisher ist es so, dass nur dort, wo noch freie Frequenzen sind, auf die niemand sonst ein Anrecht hat, für Freie Radios ausgeschrieben werden können. Neu soll es so sein, dass Frequenzen für Freie Radios vorgesehen werden müssen.

Sind Freie Radios erst mal als dritte Säule der Hörfunklandschaft etabliert, brauchen sie auch eine angemessene Finanzausstattung. Da ein Wesenszug der Freien Radios darin besteht, ohne Werbesendungen auszukommen, bedarf es eines besseren Anteils an der Rundfunkgebühr, als das bisher der Fall ist. Momentan können bis zu 10% der für die Finanzierung der Arbeit der LfK vorgesehenen Rundfunkgebühren für die Freien Radios verwendet werden. Die LfK wiederum erhält für die Finanzierung ihrer Arbeit einen 2 %-Anteil an der auf das jeweilige Bundesland entfallenden Rundfunkgebühr, theoretisch zumindest. Der bisherige Landesgesetzgeber hat auch hier dafür gesorgt, dass vor der Auszahlung an die LfK Sofortabzüge für die Finanzierung der Medien- und Filmakademie und für besondere Dienste des SWR deren Finanzbasis schmälern und damit natürlich auch die Freien Radios getroffen. Statt 2% gibt es für die LfK noch 0,96% und erst davon wird die Förderung für die Freien Radios berechnet.

Während in anderen Bundesländern pro Veranstalter mit Vollzeitprogramm bis zu 250.000 EUR im Jahr zur Verfügung stehen, bleiben den Freien Radios in Baden-Württemberg grade mal 52.000 EUR. Wer weiß, wie viel eine Personalstelle durchschnittlich kostet, kann sich leicht ausrechnen, welche Ressourcen bereit stehen, um ein Freies Radio zu betreiben. Schließlich kosten auch die Miete und die Technik noch den einen oder anderen Euro. Unterschlagen haben wir hier die Sende- und Leitungsgebühren, die die Media Broadcast (früher Telekom) dafür nimmt, dass sie das Sendesignal auf den Mast bringt und über UKW abstrahlt. Diese Kosten werden von der LfK direkt für die Freien Radios gezahlt. Auf den abgeschlossenen Vertrag haben die Freien Radios keinen Einfluss, er wird aber von ihrer Förderung abgezogen. Würden diese Mittel nicht auch noch aus den 10%, die den Freien Radios zustehen, berechnet, wären wir immerhin schon bei knapp 100.000 EUR Förderung pro Veranstalter_in. Dass dies ursprünglich mal so gedacht war, ist auch ein inzwischen akademischer Streit zwischen den Beteiligten.

Bereits vor zwei Jahren wurden die Freien Radios aufgefordert, festzustellen, was sie denn zu einem ordnungsgemäßen Betrieb ohne finanzielle Engpässe benötigen. Die landesweiten Einschätzungen lagen bei 200.000 bis 240.000 EUR pro Vollzeitveranstalter_in. Darin enthalten sind Stellen für die Technik, die Sendebetreuung, die Verwaltung und die Öffentlichkeitsarbeit, Fortbildungskosten, laufende Mietkosten und eine regelmäßige technische Anpassung, online wie offline. Inklusive der Sende- und Leitungsgebühren bedeutet das einen 25%-Anteil an der der LfK zufließenden Rundfunkgebühr.

Daneben wünschen sich die Freien Radios auch einen nichtkommerziellen Fernsehkanal, den sie parallel zu den privat-kommerziellen und dem öffentlich-rechtlichen Kanal betreiben dürfen. Da auch dieser werbefrei produzieren soll, sind auch für dessen Finanzierung entsprechende Mittel aus der Rundfunkgebühr vorzusehen. Hierzu soll der Vorwegabzug, den der SWR für die Ausstrahlung von Festivals und Sondersendungen derzeit erhält, ersatzlos gestrichen werden. Der SWR hat die Möglichkeit, die wegfallenden Mittel über seine Finanzierungsansprüche bei der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) wieder einzufordern und hat deshalb, möglicherweise nach einer Übergangszeit, keine Verluste.

Ob der politische Wille zur Umsetzung dieses Programms vorhanden ist, werden die Verhandlungen um die Gesetzesvorlage zeigen. Von Seiten der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gibt es positive Signale, die SPD hat sich noch nicht geäußert. Gefreut hat uns, dass bei der Beschlussfassung zur Soforthilfe auch die CDU-Fraktion plötzlich eine finanzielle Verbesserung der Freien Radios für vertretbar hielt. Diese Töne sind tatsächlich neu. Ob sie belastbar sind, wird sich zeigen. Der Wille jedenfalls scheint da zu sein, ob dazu auch die Kraft vorhanden ist, muss erst noch getestet werden. Das Wetter jedenfalls deutet auf Frühjahr hin. Die Ernte gibt es im Herbst. Wir melden uns wieder.