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29.12.2022 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Immer am letzten Donnerstag des Jahres gibt es den Überblick über die Beiträge, die im internet (www.freies-radio.de), immer am letzten Donnerstag des jeweiligen Monats, nachzulesen sind:

20.01.2022
Impfpflicht im Krankenhaus ab 15. März; Bundesweite Krankenhausschließungen jetzt stoppen; Bundeskanzler Scholz zu Neujahr; Die westliche Wertegemeinschaft: Soziale Gerechtigkeit – oder Arm und Reich; Flüchtlige und Asylrecht; Folter, Gefangene und Opfer tödlicher Polizeigewalt; Krieg, Kriegsvorbereitung und Rüstung

24.02.2022 Entlasungstarifverträge fürs Krankenhaus - Nordrhein-Westfalen, Berlin (Charité und Vivantes); Und in der Anstalt Klinikum? -Schlaf, Kindlein schlaf. Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen ab 15. März 2022; Drohungen in der Anstalt Klinikum – Wissen ist Macht

31.03.2022 Italienische Basisgewerkschaften verhindern Waffenlieferungen für den Krieg: „Von der Toskana sollen Brücken des Friedens statt Kriegsflüge ausgehen“; Mehr Geld für die Pflege, statt Aufrüstung! Marburger Bund: Warnstreik der Ärztinnen und Ärzte; Ver.di: Jetzt im April: Kleine Lohnerhöhung und trotzdem Reallohnverlust

30.06.2022 Ab Juli: Mehr Geld für die Pflege im Klinikum; Entlastung muss erzwungen werden. Höhere Beiträge für Krankenversicherung angekündigt; Wir zahlen nicht für eure Kriege! 100 Milliarden für eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende; ...und so geht Gewerkschaft auch

28.07.2022
Tarifvertrag Entlastung für die sechs Unikliniken in NRW; Ver.di Ver.wirrt ihre Mitglieder; Vernetzung Kämpferische Gewerkschaften (www.vernetzung.org): Konferenz 2022: Gewerkschaftliche Strategien gegen Lohnverzicht, Sozialkahlschlag und Aufrüstung

24.11.2022 Eine kleine Zusammenstellung über ganz – oder weitgehend unterbliebene Nachrichten aus der letzten Zeit; Anmerkungen zur anstehenden Tarifrunde öffentlicher Dienst Bund und Kommunen

29.12.2022 Jahresüberblick Gesundheitssystem im Kollaps: Fehlende Medikamente – fehlendes Personal – Krankenhausschließungen – Rettungsdienste am Ende. Lob der Dialektik zu Tarifverhandlungen aus „Gewitter über Pluto“

Gesundheitssystem im Kollaps Fehlende Medikamente – fehlendes Personal – Krankenhausschließungen Rettungsdienste am Ende

Fehlendes Personal: Eine Grippewelle geht durchs Land, und schon steht das Gesundheitssystem endgültig vor dem Zusammenbruch. In den Kinderkliniken sind längst sämtliche Intensivbetten belegt. Überall herrscht Personalnotstand. Allein im Pflegebereich fehlen nach Angaben des zuständigen Berufsverbands DBfK 200.000 Vollzeitkräfte. „Wenn wir nicht schnell grundlegende Reformen bekommen, kann man die pflegerische Versorgung in Deutschland nicht mehr aufrechterhalten“, sagte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. Nun wurde Anfang Dezember im Bundestag ein „Krankenhauspflegeentlastungsgesetz“ verabschiedet. Damit kommt die Einführung der „Pflegepersonalregelung 2.0“ (PPR 2.0), mit der die Ausrichtung am realen Bedarf kommen soll. Auch die Personalbedarfsermittlung für Intensivstationen wird nun erprobt. Kritik an dem Instrument kam von der Techniker Krankenkasse: Durch PPR 2.0 werde kein einziges Problem in der Pflege gelöst. „Statt neuer Kolleginnen und Kollegen wird die geplante Pflegepersonalbemessung den Pflegekräften jede Menge zusätzlichen Bürokratieaufwand bescheren“, sagte deren Vorstandschef. Das im Bundestag verabschiedete Entlastungsgesetz enthält weitere problematische Regelungen: So sollen bestimmte Krankenhausuntersuchungen künftig ambulant stattfinden, die Patienten also zu Hause übernachten. Dies kritisierte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, die anmahnt dass Ärztinnen und Ärzte unbeeinflusst von wirtschaftlichen Erwägungen der kaufmännischen Leitungen entscheiden können müssen, da es immer mehr Menschen gebe, die sich nach Eingriffen im Krankenhaus nicht ausreichend allein versorgen könnten und auf Hilfe angewiesen seien. Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, erklärte: „Die knappe Personaldecke in allen Abteilungen, nicht nur in den Kinderkliniken, ist Folge einer Politik, die die Krankenhäuser jahrelang kaputtgespart hat und die Kliniken unter einen wirtschaftlichen Druck gesetzt hat, der letztlich nur über Einsparungen beim Personal realisiert werden konnte.“

Krankenhausschließungen: Vor zwei Monaten zeigte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) öffentlich besorgt wegen einer drohenden Pleitewelle im Krankenhaussektor: „Wenn wir da nicht schnell und auch wirklich drastisch reagieren, kommt es zu Schließungen.“ Offenbar war die Politik nicht schnell und drastisch genug. Nach nun veröffentlichten Zahlen wurden 2022 in den ersten elf Monaten an zehn Standorten in Deutschland die Pforten für immer dichtgemacht, und drei weitere kommen bis zum Jahresende dazu. Wie das „Bündnis Klinikrettung“ mitteilte, belaufen sich die Verluste seit Beginn des ersten Pandemiejahres 2020 damit auf insgesamt 40. Noch düsterer sind die Aussichten für die Zukunft: 2023 sollen planmäßig 68 Abwicklungen erfolgen. Nach den Recherchen der vom Verein „Gemeingut in Bürgerhand“ (GiB) getragenen Initiative wurden im Jahresverlauf in elf weiteren Fällen hausinterne Teilschließungen vorgenommen. Ein Großteil betreffe dabei Geburtshilfen, die, wie etwa auch Notaufnahmen, hohe Kosten verursachen und keine Rendite abwerfen. Erfahrungsgemäß leiten solche Schritte spätere Komplettabwicklungen ein. Begründet werden diese oft mit dem Neubau einer Zentralklinik, die dann jedoch für viele Bürger nicht mehr wohnortnah ist. Im kommenden Jahr sollen nach Bündnisangaben 37 solcher Projekte starten. Für die verwaisten Gebiete werde häufig eine Ersatzlösung versprochen in Gestalt sogenannter Gesundheitszentren mit stark eingeschränktem Angebot – keine Notfallversorgung, keine Pädiatrie, selten sowohl Chirurgie als auch innere Medizin. Allerdings ist den Aktivisten kein einziges Beispiel bekannt, in dem eine Alternative wie angekündigt realisiert wurde. Mit sechs Schließungen in diesem Jahr ist das Ländle, Baden-Württemberg „Spitzenreiter“ unter den Kahlschlägern, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit vier. Vier der 13 Abwicklungen haben zur Folge, dass künftig insgesamt fast 65.000 Menschen mehr länger als 30 Minuten Fahrzeit von der nächsten Klinik entfernt wohnen. Vorne ist das Ländle auch bei der Zahl der Schließungsvorhaben. 17 Häuser stehen dort auf dem Index, in Niedersachsen sind es zwölf, in Bayern elf, in NRW sechs.

Rettungsdienste: Die Rettungsdienste sind permanent überlastet. Überall fehlt es an qualifizierten Beschäftigten und an Regelungen, die den Helfern den Arbeitsalltag erleichtern könnten. „Viele verlassen den Beruf schon nach wenigen Jahren. Als Folge der Personalnot hat die Zahl der unbesetzten Einsatzfahrzeuge in den letzten Jahren stark zugenommen“, bilanzierte das „Bündnis pro Rettungsdienst“, das sich Ende Oktober neu gegründet hatte. Dem Bündnis gehören unter anderem die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft, die Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften und der Fachverband Leitstellen an. Bei den anstehenden Debatten über das Gesetzesvorhaben zur Krankenhausstrukturreform müssen die Rettungsdienste angehört werden. Bisher ist das nicht geplant. Das Gesundheitssystem kann aber nur gut funktionieren, wenn die Bereiche der ambulanten und stationären Krankenversorgung mit den Rettungsdiensten verzahnt werden. Noch kranke es im Rettungswesen an vielen Stellen: So muss auch die Ausbildung zum relativ neuen Beruf des Notfallsanitäters evaluiert werden, um nachbessern zu können. Im Moment können nicht einmal so viele Menschen wie nötig für diesen Beruf ausgebildet werden, da die Krankenkassen über die Finanzierung entscheiden und sie so limitieren.

Und: Fehlende Medikamente: Dazu der Kommentar von Arnold Schölzel aus der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 16. Dezember mit dem Titel „Rüstund und Medikamente – Kanonenwirtschaft“ Geschichte wiederholt sich doch, manchmal ziemlich rasch. Im Frühjahr 2020 war die Bundesregierung zu Beginn der Coronapandemie bass erstaunt, dass das deutsche Gesundheitssystem vor dem Kollaps stand – zu wenig Pflegepersonal in den Krankenhäusern, Chaos in zuständigen Ämtern, keine medizinischen Masken etc. Als aber das Gesundheitssystem vor fast 20 Jahren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Profit umgestellt wurde, waren genau solche Situationen vorhergesagt worden. Wer damals warnte, wurde jedoch mindestens als unmodern oder gar als Anhänger der medizinischen Versorgung in der DDR mundtot gemacht. Da verstand sich 2020 fast von selbst, dass einige Unionspolitiker beim Heranschaffen von textilen Mund-Nasen-Bedeckungen Hunderttausende Euro privat herausschlugen. Das Erstaunen hielt sich in Grenzen: Jeder weiß, was geschieht, wenn Monetik statt Ethik in Gesundheitsfragen und generell zur Handlungsmaxime erklärt wird. Wo »der Markt« angeblich alles richtet, regiert in Wirklichkeit der Irrationalismus der Produktionsweise. Die Krise eines solchen Gesundheitssystems ist die der Gesellschaft. Nun ist das nächste Debakel, genauer: der nächste Notstand, innerhalb von weniger als drei Jahren da. 300 Medikamente von mehr als 100.000 behördlich zugelassenen sind Mangelware, allerdings besonders nachgefragte. AFP-Schlagzeile am Donnerstag: »Kinderärzte fordern wegen Engpässen Notfallbeschaffungsaktion für Fiebersaft«, Zeitungen berichten von leeren Regalen in Apotheken. In der Uniklinik Tübingen werden laut SWR nicht lieferbare Medikamente selbst gemischt, am Mittwoch meldete der Sender: »Medikamente im Kreis Konstanz werden knapp«, gleichzeitig warnen Kinderkliniken vorm Zusammenbruch. Sie werfen am wenigsten Profit ab, waren also besonders stark von Schließungen betroffen. Die FAZ zitierte einen Psychosomatiker: »Chronisch kranke Kinder sind im System wenig willkommen.« Der Satz gilt für alle, die nicht zahlungsfähig sind. Menschenleben stehen nicht an erster Stelle. Das »sozialverträgliche Frühableben«, wie es einst ein Ärztefunktionär formulierte, ist Teil des Systems, in Kriegszeiten zudem der gewaltsame Tod. Also kündigte die Rüstungsschmiede Rheinmetall an, schon im Juni 2023 mit einer neuen Munitionsfabrik dem Mangel bei der Bundeswehr abhelfen zu können. Und in dieser Woche, so die FAZ, hat ein Instandsetzungswerk der deutschen Rüstungsindustrie in der Slowakei »für an die Ukraine geliefertes Material seine Arbeit aufgenommen«. Es geht voran beim Löcherstopfen, jedenfalls in den Arsenalen. Erich Kästner fragte 1927 frei nach Goethe: »Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühen?« Und antwortete: »Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut – es werden stets Kasernen … Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!« Kranke Krankenhäuser, leere Medikamentenregale und neue Fabriken fürs Kriegsgerät sind mehr als ein Anfang

Zum Jahresbeginn 2023 Von Bert Brecht Lob der Dialektik

Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt. Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre. Die Gewalt versichert: "So wie es ist bleibt es!" Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut: "Jetzt beginne ich erst!" Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt: "Was wir wollen geht niemals!"

Wer noch lebt sage nicht niemals. Das Sichere ist nicht sicher. So wie es ist bleibt es nicht. Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen.

Wer wagt zu sagen: "niemals?" An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns! An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns!

Wer niedergeschlagen ist, der erhebe sich. Wer verloren ist, kämpfe. Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?

Denn, die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen

und aus niemals wird heute noch.

Zur anstehenden Tarifrunde: aus dem Roman „Gewitter über Pluto“ von Heinrich Steinfest … Es klang wie ein dummer Witz. Aber es war keiner. So ist es häufig. Viele Dinge, die wie ein Witz daherkommen – etwa Tarifverhanlungen zwischen Leuten, die gewissermaßen miteinander im Bett liegen und auch dafür bekannt sind, daß sie das tun-, erweisen sich als ernstgemeint. Nie würde einer dieser sich lautstark oder unbeugsam gebenden Verhandlungsführer auf die Idee kommen, sich einmal hinzustellen und zu erklären, dies alles sei nur ein Kasperltheater: die nächtelangen Krisensitzungen, das aufgeregt Hin- und Hergefahre, das tagelange Okkupieren von Luxushotels, das Gequake bezüglich eigener Vernunft und fremder Unvernunft, die Streikdrohungen, ja die Streiks selbst, das Beleidigtsein, das Nachgeben, das Aufeinandertreffen in der Mitte, das Millimeter- und Promillegetue, dieses ganze Affentheater, das sich über Tage und Wochen zieht und das zwei versierte Sekretärinnen in fünf Minuten über die Bühne kriegen würden. Die Dinge kommen als Witz daher. Aber wir lachen nicht. Wir nehmen alles ernst. So lange, bis es auh ernst ist.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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