13.06.2025 18:00 Uhr Inforedaktion: südnordfunk
südnordfunk #133 im Juni | De-koloniale Blicke auf den Zweiten Weltkrieg
In der Juniausgabe des südnordfunk geben wir kurze Einblicke in die Geschichte der vergessenen Befreier und Befreierinnen, die im Zweiten Weltkrieg in den heutigen Ländern des Globalen Südens gegen den Faschismus und die Achsenmächte kämpften. Ihr Beitrag ist wenig bekannt. Unzählige Menschen wurden in Nordafrika, in Südostasien oder Brasilien in den Krieg hineingezogen oder von seinen Gräueln erschüttert. Menschen aus Südostasien kämpften in Europa, Brasilianer gegen die Wehrmacht und die Faschisten in Italien. Erst nach und nach wird bekannt, welchen enormen Einsatz auch Widerstandskämpfer*innen aus dem Globalen Süden leisteten. Das Gedenken an ihren Beitrag zur Überwindung des Faschismus verblasst bedauerlicherweise hinter den Kulissen Erinnerungspolitik der europäischen Akteure.
Wir sprechen mit Louis Olivera, Kind portugiesisch-italienischer Eltern, der mit Partisanen in Italien und ehemaligen brasilianischen Soldaten gesprochen und ihre Geschichte in Barga, einem kleinen Dorf im Apennin, in einem Museum dokumentiert hat. Der Widerstand gegen den japanischen Faschismus und später gegen die Briten im heutigen Malaysia und Singapur hat Agnes Khoo in einem beeindruckenden Oral-History Werk dokumentiert und gewährt im Interview Einblicke in diese Arbeit. Und der Historiker Aomar Boum erzählt – ausgehend von den jüdisch-muslimischen Beziehungen in den 1930er-Jahren – die Folgen der Vichy-Herrschaft für die Juden und Jüdinnen Nordafrikas. Denn auch hier hatten die faschistischen Achsenmächte Lager aufgebaut.
Die Magazinbeiträge
»Aufgrund der Geschichte können wir die Gegenwart und die Zukunft besser verstehen«
Ein Interview mit dem Journalisten und Fotografen Luis De Oliveira
Warum schickten die Machthaber der damaligen rechten Diktatur Brasiliens 25.000 Soldaten über den Atlantik, um in Europa gegen eine andere rechte Militärdiktatur, die faschistische Wehrmacht, zu kämpfen? Wie war die Situation vor Ort für ehemals kolonisierte Menschen, nun in der Rolle der Befreier? Und warum ist so wenig über die Beteiligung brasilianischer Soldaten an der Befreiung Italiens bekannt? Fragen wie diese wurden in einer Veranstaltung gestellt, im Rahmen der Reihe »Unsere vergessenen Befreier – eine de-koloniale Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg«. Der südnordfunk sprach mit dem Autor Luis De Oliveira über die »Vergessenen brasilianischen Befreier Italiens«.
Diskriminiert trotz Gleichberechtigung – Kommunistischer Widerstand und die Rolle der Frauen in Südostasien während des Zweiten Weltkrieges
Interview mit Agnes Khoo
Im Winter 1941/42 überfiel die Armee des faschistischen Japans die südostasiatischen Inseln Malaya und Indonesien. In einer Art »Blitzkrieg auf Fahrrädern« gelang es ihnen, die ansässige Britische Kolonialherrschaft innerhalb kürzester Zeit zur Aufgabe zu zwingen und die Kontrolle über diese Gebiete abzugeben. Bereits vor der Invasion kämpften kommunistische Guerillakämpfer*innen gegen die Britische Kolonialmacht, nun also gegen die Faschisten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg standen diese dann abermals den Britischen Machthabern gegenüber. In den Guerillaarmeen kämpften Männer und Frauen vermeintlich gleichberechtigt Seite an Seite: Beide standen bewaffnet an der Front, beide legten Landminen und schleppten schwere Lasten durch den Dschungel und über die Berge. Dennoch wirkten auch hier biologische und patriarchale Geschlechterunterschiede.
In der Geschichtsforschung wurde dem bislang wenig Rechnung getragen. Die Soziologin Agnes Khoo aus Singapur publizierte 2004 das erste und bislang einzige Oral-History-Buch, das sich ausschließlich mit Frauen beschäftigt, die in Thailand, Malaysia und Singapur in der antikolonialen und antifaschistischen Guerilla gekämpft haben. Im Interview mit Agnes Khoo spricht Eva Gutensohn vom südnordfunk über die Situation der Guerillakämpfer*innen während der japanischen Besatzung, über Geschlechterunterschiede und das Ausbleiben eines Friedens trotz gewonnenem Krieg.
Der Holocaust und Nordafrika
Mitschnitte aus einem Vortrag des Anthropologen und Historikers Aomar Boum
1940 besetzte Nazideutschland große Teile Frankreichs. Im Süden des Landes errichtete General Pétain das faschistische Vichy Regime. Das hatte unmittelbare Auswirkungen auf die französischen Kolonien sowie auf Fluchtmöglichkeiten europäischer Jüdinnen und Juden vor dem Holocaust. Auch in Nordafrika wurden antisemitische Gesetze erlassen und sogenannte »unerwünschte« Personen in Lagern inhaftiert – darunter europäische Jüdinnen und Juden.
Mit dieser weitestgehend unbekannten Geschichte des Holocausts beschäftigt sich der Anthropologe und Historiker Aomar Boum, der in den USA lehrt und selbst aus Marokko stammt. Anhand der Biografien von Inhaftierten schildert Aomar Boum die Verflechtungen zwischen kolonialer und faschistischer Gewaltherrschaft in Nordafrika während des Zweiten Weltkriegs.