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Header Hochdrucklautsprecher vor Bäumen

Die Subkultur funkt SOS

Stuttgarter Zeitung vom 01.02.2006

Unabhängig, aber sehr bedürftig: das Freie Radio Stuttgart ist in Geldnot
Von Ulrich Bauer

Auf der Frequenz 99.2 funkt der Jazz, wird über Kultur geplaudert und erklingt die Stimme Afrikas. Der nicht kommerzielle Sender FRS, von der Landesanstalt für Kommunikation gefördert und auch aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert, bietet Gruppen, Vereinen und Initiativen ein Sprachrohr. Es gibt rund 150 Amateur-Radiomacher, die regelmäßig das Programm gestalten. Doch es sollen mehr werden. Bisher hatte man sich auf Stuttgart konzentriert.
Er hat einen anstrengenden Job als Drucker und einen Feierabend, den seine beiden Kinder beanspruchen. Daneben freilich hat Wolfgang Schramm eine große Leidenschaft: "Radio machen." Schramm verantwortet im Freien Radio in der Redaktion Kulturpalast Musik- und Literatursendungen.

"Wolvi" heißt etwa das Magazin zur Folkmusik, das er jeden vierten Mittwoch im Monat zusammen mit Viktor Bayer macht. Aber auch Sendungen zum Geburtstag von Wolfgang Dauner, zum Buch "Stuttgart zu Fuß", zu Pfarrer Friz und dem Jubiläum der Vesperkirche stellt Schramm auf die Beine. Ohne Gehalt, unentgeltlich. "Mir macht das Spaß", sagt der ehemalige Straßenmusiker und musikalische Begleiter von Thomas Felder, der auch schon mal Jugendarbeit im Hallschlag gemacht hat und aus der "AKW-Bewegung kommt". Schramm ist einer der ältesten Mitarbeiter des Freien Radios Stuttgart (FRS) - und so wie er engagieren sich rund dreihundert Leute in diesem basisdemokratisch orientierten Programm, hinter dem 56 Redaktionen stehen. Sie produzieren Sendungen in spanischer, russischer, griechischer und vielen anderen Sprachen und bieten Organisationen wie Amnesty International, Greenpeace oder dem Arbeitslosenzentrum Salz ein Forum. "Wir machen all das, was die Öffentlich-Rechtlichen und Privaten nicht machen", sagt Schramm.

Doch jetzt ist das FRS in Bedrängnis. Nachdem die Landesanstalt für Kommunikation Ende 2003 verfügt hat, dass das FRS auf seiner Frequenz 99,2 immerhin 27 Stunden pro Woche an das Hochschulradio Stuttgart abgeben muss, fließen die öffentlichen Zuschüsse entsprechend spärlicher - mit der Folge, dass das Freie Radio jetzt in seiner Existenz bedroht ist. "Die Zahl der hauptamtlichen Stellen ist ohnehin an einem Minimum angelangt, die Sparmöglichkeiten sind ausgeschöpft", klagt Schramm. "Wenn es so weitergeht, sind wir im Sommer am Ende und können nicht einmal mehr unser zehnjähriges Bestehen im September feiern."

Als nicht kommerzieller Sender ist das Freie Radio Stuttgart aber nicht nur auf öffentliche Fördermittel, sondern auch auf Spenden und Mitgliedsbeiträge seines Fördervereins angewiesen. Etwa fünfhundert zahlende Unterstützer hat das FRS, wobei allerdings die dreihundert Redaktionsmitglieder schon dazuzählen. "Wenn wir diese Zahl auf tausend erhöhen können, haben wir eine Chance", erklärt Wolfgang Schramm. Eine Werbeaktion mit Solidaritätskonzerten unter dem Motto "Rettet das Freie Radio" ist geplant, aber für eine dauerhafte Stabilisierung des unabhängigen Senders könnte nur ein stärkerer Förderverein sorgen. Wer Mitglied werden will, kann sich während der Bürozeiten unter der Nummer 07 11/64 00 442 melden, auch im Internet ist unter http://www.freies-radio.de ein Aufnahmeformular abrufbar.