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Unser Stuttgarter Verein im Radio

W!N Das Freiwilligenmagazin, Juli-Nov. 2018

Unser Stuttgarter Verein im Radio
Das Vereinsradio macht’s möglich

Von Helmut K. Doerfler

»Dein Verein auf Sendung«: Mit diesem Slogan kündigte das Freie Radio für Stuttgart (FRS) im April sein neues Sende­format Vereinsradio an. Um welches Radio geht es da? Und für welche Stuttgarter Vereine ist das eigentlich interessant?
Diese Fragen stellte ich etwas naiv Oliver Herrmann. Er ist PR-Mann des Lokalsenders, seit der Gründung 1993 dabei und ab 2004 für dessen Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Und Herrmann ist einer von vier Mitarbeiter/innen, die (auf Stundenbasis) auf der FRSPayroll stehen. Die übrigen rund 250 Redakteur/innen gestalten im Studio (in der Stöckachstraße 16a, beim SWR-Gebäude um die Ecke) ihre Radiosendungen, ganz ohne Salär. Zur FRS-Finanzierung später mehr. Jeder Zweite in Baden-Württemberg engagiert sich freiwillig. Am häufi gsten in Vereinen und Verbänden. Welche Vereine passen also zum Vereinsradio, sozusagen zum Markenkern des FRS? O-Ton Oliver Herrmann: »Wir wollen ein offenes Forum sein für eingetragene oder nicht eingetragene Vereine, für Kollektive, Initiativen oder andere informelle Gemeinschaften«. Dabei insbesondere für gemeinnützige Gruppierun­gen, die sonst zu herkömmlichen elektronischen Medien wenig Zugang haben. Ihnen wird nun jeden ersten Sonntag im Monat von 20 bis 22 Uhr – technisch und journalistisch betreut von erfahrenen Radiomacher/innen – ein guter Sen-deplatz geboten, auf dem sie sich einmalig prä­sentieren können. Möglich sei da redaktionell fast alles, vom einfachen Interview bis zu mitge­brachten, selbst produzierten Sendungen. Erwünscht sind im Vereinsradio übrigens alle Vereine und sonstige Gruppierungen, deren Vereinszweck zu den Statuten des Senders pas­sen. Darin geht es unter anderem um Gleichbe­rechtigung und antipatriarchalische Strukturen, um Widerstand gegen faschistische, rassistische und fundamental religiöse Tendenzen, ganz all­gemein um das kritische Hinterfragen gesell­schaftlicher, wirtschaftlicher, politischer und kirchlicher Strukturen.
Das FRS ist medienpolitisch Stuttgarts Dritte Säule, gehört zur großen Familie der kommerz- sprich werbe- und promotionsfreien Radios im Ländle. Sie alle verstehen sich als selbstbe­stimmtes, basisdemokratisches Kontrastpro­gramm, quasi als Gegenströmung zum Main­stream des herkömmlichen öffentlich-rechtli­chen und des kommerziellen Hörfunks.
Die Anfänge der Nichtkommerziellen gehen zurück bis in die 70er-Jahre: Ältere W!N-Leser/ innen erinnern sich noch an den Piratensender Dreyeckland, der aus der Anti-AKW-Bewegung im Dreiländereck Deutschland/Schweiz/ Frank­reich hervorging. Dieser wurde dann zum Infek­tionsherd für weitere regierungs-unbotmäßige, freche und politisch widerborstige Freie Radios. So auch in Stuttgart. Vor 25 Jahren wurde ein Förderverein für das Freie Radio Stuttgart gegründet. Der Sender ging 1996 on air, zu­nächst auf der Frequenz 97,2. Seit fünfzehn Jah­ren ist die Lizenz 99,2 fest etabliert und das FRS in die geeigneten Räume in der Stöckachstraße umgezogen.
Erstaunlich zugleich im Rückblick, wie die freien Radios thematisch oft ihrer Zeit voraus waren: Viele der damals politisch kontroversen Kampf-Themen sind heute zu Konsensthemen der deutschen Bundes-, Landes- und Kommu­nalpolitik mutiert. Zum Beispiel nach dem Atomausstieg Merkels. Oder mit der Ehe für alle im Juni 2017 als Schlusspunkt der von freien Radios lange geforderten Toleranz für die Rech­te der Homosexuellen. Oder – leider noch sehr aktuell – Immigrantensendungen, die seit Jah­ren in Stuttgart und anderswo gegenhalten gegen das rigorose emotionale Ausgrenzen von Flüchtlingen durch rechte Parteien unterschied­licher Couleur und gegen unflätige Rassen­parolen. Gut Ding will eben auch tagespolitisch Weile haben.
Eine fast endlose Geschichte war und ist die Auseinandersetzung des FRS mit der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württem­berg (LfK). Denn die vergibt bekanntlich nicht nur die Sendelizenzen, sondern speist auch indirekt aus dem großen Gebührentopf finan­ziell die freien Radios. Besonders in Stuttgart agierte die LfK bei beidem sehr phäb, wie wir Schwaben sagen. Der terrestrische FRS-Emp­fang von 99,2 ist rund um Stuttgart immer noch nicht optimal. In digitalen Zeiten jedoch, in denen via Handy die Hörer/innen sowieso ein Radio in der Hand- oder Hosentasche mit sich herumtragen und per FRS-Homepage auch anderswo den Sender hören können, hat sich der Streitpunkt wohl teilweise erledigt. Phäb, also knapp, muss das FRS allerdings nach wie vor wirtschaften. Bisher stand eine jährliche LfK-Förderung von gerade mal 130 000 Euro im Raum für den gesamten Studioaufwand ein­schließlich Personalkosten.
Um auch weiterhin einigermaßen unabhän­gig bleiben zu können, freut sich der Förderver­ein über neue Mitglieder und natürlich auch Spenden.
Wie auch immer: Es gibt das FRS, um jeder­frau und -mann möglichst niedrigschwellig Zugang zum Hörfunk zu verschaffen. Und dafür ist jetzt auch das neue Vereinsradio da. Probieren Sie es mit Ihrem Verein doch einfach mal aus!

Kontakt
E-Mail: vereinsradio@freies-radio.de Internet: freies-radio.de/projekt/vereinsradio

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