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25.01.2018 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

2018 Klinikum Stuttgart vor gravierenden Einschnitten?

Ende dieses Jahres endet der 4-seitige Vertrag zwischen der Stadt Stuttgart, dem Klinikum, dem Personalrat des Klinikums und der Gewerkschaft verdi.
Seit 2005 sichert dieser Vertrag – einige der grundlegenden Interessen der Beschäftigten wie Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, Absenkungstarifverträgen, Privatisierungen (es sei denn der Personalrat stimmte zu) und die Aufrechterhaltung des Eigenbetriebs.
Die Beschäftigten des Klinikums sind Beschäftigte der Stadt Stuttgart.
Damit dürfte es bald vorbei sein, wenn es nach den Vorstellungen des zuständigen Ersten Bürgermeister Herr Föll und der Mehrheit des Gemeinderats geht.
Ziel: Privatisierung
Bis 1985 war es per Gesetz verboten in Krankenhäusern Gewinne zu machen. Privatkrankenhäuser waren eine Randerscheinung. Seitdem aber arbeiten die verschiedenen Parteien, die die Bundesregierung stellten und stellen (in wechselnden Konstellationen CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP) daran, das Gesundheitswesen und speziell die Krankenhäuser nach den Prinzipien des freien Markts umzugestalten.
Leider sehr erfolgreich: seit 1991 hat sich die Zahl der Krankenhäuser, die im Besitz privater Klinikbetreiber sind, beinahe verdoppelt; die Zahl der Betten mehr als verdreifacht.
Und: sie machen Gewinne.
Und die, wie sollte es im herrschenden Wirtschaftssystem des Kapitalismus anders sein, auf Kosten anderer.
Die Gewinne der Privaten beruhen im wesentlichen auf drei Faktoren:

  1. sie behandeln längst nicht alle Kranken, dafür aber besonders intensiv diejenigen, mit deren Diagnosen sich Gewinne erwirtschaften lassen. Die Privaten behandeln insgeamt ca 17% aller Patienten, aber z.B. an die 25% alle Kniegelenksarthrosen, Bandscheibenschäden und Hüftarthrosen. Dafür werden typische Erkrankungen alter Menschen wie Oberschenkelhalsbruch oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung deutlich weniger oft behandelt. Dies wird oft als Rosinenpickerei bezeichnet.
  2. Bei den Privaten versorgt eine Pflegekraft durchschnittlich z.B. 12% mehr Patienten. Beim z.B. Technischen Dienst und Wirtschaft-und Versorgungsdienst sind die Unterschiede noch erheblich gravierender.
  3. Im privaten Krankenhaus verdient eine Pflegekraft durchschnittlich 4000 € weniger im Jahr als in einem öffentlichen Haus. Insgesamt ein Kostenvorteil von ca. 280 Mio €.
    Die Defizite bleiben bei den öffentlichen Trägern hängen.
    Das Klinikum Stuttgart behandelt nun mal jede und jeden, hat eine angesehene Kinderklinik (das „Olgäle“, jede Menge Spezialambulanzen und 24 Stunden an jedem Tag und jeder Nacht des Jahres Notaufnahme.
    Das Defizit enststeht einerseits durch die völlig unzureichende Finanzierung gerade dieser Bereiche durch das Fallpauschalensystem (DRGs) und andererseits dadurch, dass die Investitionskosten (also auch Bauten) nicht komplett, obwohl gesetzlich vorgeschrieben, sondern nur zum Teil vom Land übernommen werden. Die Stadt Stuttgart hat deswegen in den letzten Jahren, seit Abschluss des 4-Seiten Vertrags, das Klinikum mit vielen Millionen unterstützt.

Nun wollen Herr Föll und die Mehrheit des Gemeinderats sich offenbar aus der Verantwortung für die Krankenhausversorgung zurückziehen. Eine komplette Privatisierung des Klinikums streben die Stadtoberen derzeit zwar nicht an. Aber sie haben einen Plan wie erste Schritte dahin möglich werden:
Der Eigenbetrieb Klinikum soll in eine „selbstständige Kommunalanstalt“ (sKA) in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt werden.
Obwohl bislang nichts Genaues öffentlich wurde, kann man davon ausgehen, dass hinter verschlossenen Türen bereits die Vorbereitungen dazu im Gange sind. „Hinter verschlossenen Türen“ - das nimmt schon mal die dann übliche Entscheidungsfindung in einer sKA vorweg. Ganz einfach: der Gemeinderat, dessen Krankenhausausschuss und der OB sind gar nicht mehr oberstes Gremium, sondern der Vorstand und Verwaltungsrat der Anstalt. Da diese nicht öffentlich tagen, gibt es auch keine öffentliche Debatte.
Weitere wichtige Punkte:
Die Beschäftigten bleiben nicht Beschäftigte der Stadt, sondern werden Beschäftigte der Anstalt. Dem müssen sie in einem Betriebsübergang zustimmen. Bei allen in Zukunft möglichen Angriffen auf Tarifvertrag, Zusatzversorgung oder städtische Dienstvereinbarungen und Regelungen stehen die Beschäftigten als Anstaltsbeschäftigte allein.Und auch die Personalvertretungkann sich bei Streitigkeiten nicht mehr an gewählte Mandatsträger wenden, sondern sieht sich dem Vorsitzenden des Vorstands der Anstalt gegenüber.
Und Privatisierung?
Eine Anstalt kann eigene Tochterfirmen gründen und damit Teilprivatisierungen durchführen. Damit haben die neuen Geschäftsführer des Klinikums Herr Jürgensen und Herr Hewer schon aus ihrer Zeit in der Berliner Charite Erfahrungen.

Sowohl die Beschäftigten als auch die Bürgerinnen der Stadt sollten alles versuchen und daran setzen die Umwandlung des städtischen Eigenbetriebs in eine selbstständige Kommunalanstalt zu verhindern.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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