Direkt zum Inhalt
Bild
Radiobanner

28.06.2018 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Klinikum Stuttgart vor Rechtsformwechsel –
Für die Gewerkschaften und die Personalvertretung ist alles gut
Aus dem Eigenbetrieb der Stadt wird voraussichtlich zum 1.1.2019 eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts

Seit Juli 2016, also seit fast zwei Jahren, berichten wir darüber, dass der Erste Bürgermeister Föll von der CDU plant, das Klinikum Stuttgart in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umzuwandeln.
Seit Anfang diese Jahres wurde offenbar, dass Herr Föll sein Ansinnen konkret werden lässt.
Der Hintergrund: Ende dieses Jahres endet der 4-seitige Vertrag zwischen der Stadt Stuttgart, dem Klinikum, dem Personalrat des Klinikums und der Gewerkschaft verdi. Dieser Vertag gilt seit 2005, wurde 2011 modifiziert, und sicherte auch die „grundlegenden Interessen der Beschäftigten“, also u.a.: keine Privatisierungen, keine betriebsbedingten Kündigungen oder Absenkungstarifverträge und Aufrechterhaltung des Eigenbetriebs.
Dieses bevorstehende Vertragsende nutze Herr Föll geschickt als Druckmittel. Er sei bereit einen neuen Vertrag zu schließen, auch mit weit reichenden Garantien für die Beschäftigten, aber nur unter der Voraussetzung, dass das Klinikum künftig eine Anstalt des öffentlichen Rechts werde. Seine Argumente: eine mögliche Uniklinik kann besser oder leichter in einer Anstalt realisiert werden und vor allem müssten die Führungs, Entscheidungs – und Aufsichtsstrukturen professionalisiert werden. Der Krankenhausaussschuss habe z.B. bei den Vorgängen um die „international unit“ versagt.
Damit setzten wir uns regelmässig in unseren Sendungen seit Anfang des Jahres auseinander und entkräfteten diese vorgeschobenen Argumente. Wir stellten die negativen Folgen eines solchen Rechtsformwechsels für die Beschäftigten, für die Bevölkerung, für die betriebliche Mitbestimmung und für Transparenz und demokratische Kontrolle in den Mittelpunkt.

Noch in unserer letzten Sendung mit Schwerpunkt Gesundheitswesen am 31. Mai klagten wir darüber, dass sich zu diesem drohenden gravierenden Einschnitt für über 7 000 Beschäftigte weder die Personalvertretung noch die Gewerkschaften verdi und Marburger Bund überhaupt geäußert haben oder die Beschäftigten darüber informierten.
Dies hat sich seit Mitte Juni geändert. Verdi verteilte ein kritisches Krankenhaus Info . Damit wurden die Beschäftigten zum ersten Mal von einem Teil ihrer VertreterInnen über die drohenden Änderungen informiert.
Darin heisst es bezüglich der Anstalt:
„Diese deutlich höhere Intransparenz hat natürlich auch auf der politischen Ebene eine Bedeutung. Zwar werden voraussichtlich Mitglieder des Gemeinderats im Verwaltungsrat sein, aber dieser Verwaltungsrat tagt grundsätzlich nicht öffentlich und es besteht Verschwiegenheitspflicht. Politische Diskussionen über Grundsatzentscheidungen und über die Zukunft des Klinikums sind also nicht mehr eine öffentliche Angelegenheit, in die sich auch die Bürger einmischen können, sondern (wie in einer GmbH) eine Frage der Zweckmäßigkeit für den Betrieb. Es erscheint schon etwas absurd, wenn angesichts der Vorkommnisse in und um die IU [international unit] jetzt weniger Kontrolle durch den Gemeinderat und die Stadt angestrebt wird, statt mehr. Insgesamt ist die Kommunalanstalt eine deutlich Einschränkung der demokratischen Rechte sowohl des Gemeinderats, des Personalrats als auch der Bürger, die ja ein hohes Interesse daran haben, dass das Klinikum als Teil der Daseinsvorsorge auch wirklich funktioniert und gut ausgestattet wird.“

Weiter heisst es im Krankenhaus Info zum vierseitigen Vertrag:
„Offensichtlich scheint uns, dass es keinen Grund gibt, die Rechtsform von einem Eigenbetrieb in eine Kommunalanstalt zu ändern, wenn es andere Möglichkeiten gibt eine universitäre Ausbildungsstätte zu werden bzw. wenn diese Pläne letztlich doch nicht umgesetzt werden. Insofern sollten Überlegungen für eine Kommunalanstalt auf jeden Fall solange zurückgestellt werden, bis klar ist, ob das Klinikum überhaupt universitäre Ausbildungsstätte wird und ob die notwendige Beteiligung des Landes und der „Mutteruniversität“ nicht auch in anderer Form möglich ist.
Gleichzeitig halten wir fest, dass die gravierenden Nachteile, die eine Kommunalanstalt sowohl für die Beschäftigten, als auch die Mitbestimmungsrechte des Personalrats und die Demokratie in der Stadt hat, so nicht akzeptiert werden können.“

Das war Mitte Juni. Eine Unterschriftensammlung gegen die Anstalt zu starten oder andere Aktivitäten zu beginnen, wurde von verdi abgelehnt. Die Begründung: Wir verhandeln schon, so etwas stört nur die Verhandlungen.
Gesagt, getan. Dann ging alles sehr schnell. Davon dürfte Herr Föll nicht einmal geträumt haben, dass sein Projekt zusammen mit den Gewerkschaften und der Personalvertretung ohne Probleme durchgesetzt werden kann.
Die Verhandlungen sind bereits weitgehend abgeschlossen.
Ohne Rücksprache mit den Beschäftigten oder den Gewerkschaftsmitgliedern wurde zwischen den Gewerkschaften verdi und Marburger Bund, dem Personalrat und der Geschäftsführung des Klinikums und Herrn Föll und der Stadt eine weitgehende Einigung erzielt, die allerdings noch vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderats ist:
Die Anstalt kommt ab Anfang nächsten Jahres – im Gegenzug werden den Beschäftigten, die dann keine städtischen Beschäftigten, sondern Beschäftigte der Anstalt sind, für zehn Jahre Zugeständnisse gemacht und auch der Personalvertretung.
Ein ziemlich unglaublicher Vorgang.
Mitte Juni noch die Ablehnung der Anstalt im Krankenhaus Info von verdi – Ende Juni schon die Zustimmung zur Anstalt.
Keine Frage: sofern man eine Anstalt akzeptiert ist das Verhandlungsergebnis weitreichend und sichert für zehn Jahre für die Beschäftigten nahezu gleiche Bedingungen wie bislang. Das hatte Föll auch versprochen, diesen Preis war er bereit zu zahlen. Die vorhin zitierte Aussage von verdi aber „Gleichzeitig halten wir fest, dass die gravierenden Nachteile, die eine Kommunalanstalt sowohl für die Beschäftigten, als auch die Mitbestimmungsrechte des Personalrats und die Demokratie in der Stadt hat, so nicht akzeptiert werden können.“ -davon ist keine Rede mehr.
Hieß es bislang im vierseitigen Vertrag, dass zur „Sicherung der grundlegenden Interessen der Beschäftigten“ die Rechtsform des Eigenbetrieb garantiert wird, steht da jetzt stattdessen eben nicht mehr Eigenbetrieb, sondern „gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts in Anstaltsträgerschaft der Landeshauptstadt Stuttgart“.
Doch was geschieht nach den zehn garantierten Jahren? Anschließend können all die weiteren Verschlechterungen zum Tragen kommen, die eine Anstalt mit sich bringt: Privatisierung von Bereichen oder, wer weiß, vielleicht des ganzen Klinikums, das dann ja auch einen Großteil der Neubauten fertig gestellt hat und dann für private Krankenhausbetreiber erst richtig interessant wird, Austritt aus dem TvöD oder Absenkungstarifverträge, usw.

Im April fassten wir das hier in der Inforedaktion so zusammen:
„Kurz zusammengefasst geht es also darum die Beschäftigten künftig schlechter zu stellen, die Mitbestimmung zu schwächen, die öffentliche Kontrolle abzuschaffen und das Klinikum ein Stück weiter Richtung Privatisierung zu schieben.“
Damit haben sich verdi, Marburger Bund und die Personalvertretung des Klinikums offenbar abgefunden. Natürlich wie immer, nur, um noch Schlimmeres zu verhindern.
Bevor also auch nur versucht wurde etwas dagegen zu unternehmen und den Beschäftigten auch nur die Möglichkeit gegeben wurde sich zu äußern, ist über ihre Köpfe hinweg schon entschieden worden.
Ein seltsames Verständnis von Gewerkschaft und Personalvertretung.

Schon morgen wird das Ganze in den Krankenhausausschuss eingebracht und dann soll alles ganz schnell gehen. Die Gremien der Stadt müssen noch entscheiden und die über 7 000 Beschäftigten des Klinikum sollen in einer Personalversammlung Mitte Juli erfahren, dass sie künftig keine städtischen MitarbeiterInnen mehr sind.
Von so einer Gewerkschaft und Personalvertretung kann man nur träumen – alpträumen.
Wir werden weiter berichten.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

Nachricht zur Sendung

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin damit einverstanden, dass meine Eingaben gespeichert werden und ich bei Bedarf per E-Mail kontaktiert werde. Diese Einwilligung kann ich für die Zukunft jederzeit per E-Mail an internet@freies-radio.de widerrufen.