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26.07.2018 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Klinikum Stuttgart
Weg frei für die Anstalt

Seit langem berichten wir regelmässig, immer am letzten Donnerstag des Monats – wie heute auch, über den Plan des auch für das Klinikum zuständigen Ersten Bürgermeisters Michael Föll von der CDU, den städtischen Eigenbetrieb Klinikum Stuttgart in eine Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts umzuwandeln.
Da dies zur Folge hat, dass die ca. 7 000 Beschäftigten des Klinikums dann keine städtischen Beschäftigten mehr sind, war Herr Föll, das signalisierte er bereits vor über einem halben Jahr, zu langfristigen und umfangreichen Zugeständnissen bereit.
Inzwischen hat der Personalrat des Klinikums, der schon seit langem Verhandlungen darüber führt, ohne die Beschäftigten darüber überhaupt zu informieren, in einer Personalversammlung mit Herrn Föll, der Geschäftsführung des Klinikums und den Gewerkschaften verdi und Marburger Bund am 17. Juli in der Liederhalle die Beschäftigten darüber informiert, dass alles schon ausverhandelt und unterschrieben ist.
In einem neuen 4-seitigen Vertrag, der ab 1. Januar 2019 gelten soll und zwischen der Stadt, der Geschäftsführung, den Gewerkschaften und dem Personalrat ausverhandelt wurde, ist geregelt, dass für 10 Jahre für die Beschäftigten weitgehend alles beim Alten bleibt – dafür Personalrat und Gewerkschaften aber die Anstalt akzeptieren, sofern der Gemeinderat der Stadt dies beschließt. Dazu gab es auch eine gemeinsame Presseerklärung.
Es scheint offensichtlich: Herr Föll bekommt die Anstalt, ohne dass Personalrat oder Gewerkschaften etwas dagegen unternehmen, - diese dürfen dafür die Zugestänsnisse, die Herr Föll bereit war dafür zu geben, als ihren Erfolg feiern.
Eine ziemlich unappetitliche Angelegenheit.
Ausnahmslos alle der Verhandelnden sind zufrieden und feiern ihr Verhandlungsgeschick als großen Erfolg.
Alle? - Nun ja, die Beschäftigten wurden ja gar nicht gefragt und im Gemeinderat opponiert immerhin SÖS/Linke plus – und die SPD bemängelt, dass Herr Föll noch gar keine Argumente für die Anstalt vorgebracht habe.
Während es Herrn Föll also gelungen ist mit dem Personalrat und den Gewerkschaften schnell zu einer Einigung zu kommen, gelang ihm das im Krankenhausausschuss des Gemeinderats nicht ganz so schnell, wie er es sich zur Vollendung seines Coups vorgestellt hat.
Satt, wie von ihm geplant; bereits gestern im Gemeinderat alles unter Dach und Fach zu bringen, sieht der jetzt anvisierte Zeitplan so aus:
Der Krankenhausausschuss soll am 12.10.2018, der Verwaltungsausschuss am 24.10.2018 und schließlich der Gemeinderat am 25.10.2018 entscheiden.

Zum Hintergrund hört ihr im Folgenden Auszüge aus zwei bei der Personalversammlung vor bzw in der Liederhalle verteilten Infos:
Einmal die Stellungnahme von Tom Adler von SÖS/Linke Plus und eine Stellungnahme eines Personalratmitglieds des Klinikums, der wegen der Geheimpolitik des Personalrats inzwischen zurückgetreten ist.

Zur Personalversammlung des Klinikums am 17. Juli 2018

Wir wollen städtische Beschäftigte bleiben – Keine Anstalt

Insgesamt gibt es ca 20 000 Beschäftigte der Stadt Stuttgart (bei Ämtern, Verwaltung, Eigen-betrieben, Bürgerbüros usw.). Eine starke Gemeinschaft, wenn es darum geht Verschlechterungen für die Beschäftigten oder für die Bevölkerung abzuwehren oder gar um Verbesserungen oder Regelungen (wie z.B. die pauschale Auszahlung des Leistungsentgelts) zu erreichen.
Über 7 000 Beschäftigte davon arbeiten im Klinikum.
Bei einer durchschnittlich angenommenen Beschäftigungszeit von 10 Jahren sind das 70 000 Jahre als Klinikbeschäftigte der Stadt Stuttgart – und – viele identifizieren sich mit dem städtischen Eigenbetrieb Klinikum Stuttgart.
Herr Föll will nun die Beschäftigten des Klinikums der Stadt Stuttgart nicht mehr als städtische Beschäftigte.
Aber er hat kaum Argumente für diesen Rechtsformwechsel vom Eigenbetrieb zur Anstalt:
Uniklinik: die Bemühungen von Herrn Föll Anstalt und Uniklinik als eine Art Zwangsläufigkeit miteinander zu verknüpfen sind offenbar passé. Es ist still geworden um die Uniklinik. Erstens weiß niemand, ob das Klinikum überhaupt Uniklinik wird und wenn, wann; und zweitens ließe sich nach dem Uniklinika Gesetz der Einfluss der Uni auch über eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung regeln. Eine Anstalt bräuchte es nicht.
Aus Stgt. Ztg. online vom 08.07.2018: „Als Konsequenz aus dem Skandal um die Auslandsabteilung des städtischen Klinikums will Stuttgarts Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) dem Großkrankenhaus mehr Eigenständigkeit geben. Aus dem jetzigen Eigenbetrieb der Stadt soll eine Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts werden.“ (…). „Föll verspricht sich dadurch „klare Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen“.“ (…). „Er verweist darauf, dass alle größeren kommunalen Krankenhäuser eine eigene Rechtsform haben.“

Für den Erhalt der demokratischen Kontrolle und Transparenz

Weiter aus der Stuttgarter Zeitung: „Die Fraktion SÖS/Linke-plus hat sich gegen die Pläne ausgesprochen. Nach den skandalösen Vorgängen in der internationalen Abteilung des Klinikums „sei es allerhöchste Zeit, mehr Transparenz zu schaffen“, sagt Fraktionssprecher Thomas Adler. Der Krankenhausbürgermeister aber strebe stattdessen „noch mehr Intransparenz und Nichtöffentlichkeit an“.“
Und der Fraktionschef der SPD Martin Körner: „Und bis jetzt habe der Bürgermeister zur Begründung des Plans „außer Allgemeinplätzen nichts zu bieten“. “

Anstalt – worum es wirklich geht

Herr Föll ist Mitglied der CDU. Die CDU arbeitet seit langem daran, auch die Krankenhäuser den Prinzipien des freien Markts zu unterwerfen. Ziel dabei, auf jeden Fall aber zwangsläufige Folge, ist die Privatisierung des Gesundheitswesens. Und diese Bemühungen haben durchaus Erfolg:
Gab es 1991 von
2411 Krankenhäusern noch 1110 öffentliche, 943 frei gemeinnützige und 358 private Einrichtungen
waren es 2016 von
1951 Krankenhäusern noch 570 öffentliche, 674 frei gemeinnützige und 707 private Einrichtungen.
(Statistisches Bundesamt, destatis.de).
Seit 1991 regiert die CDU in verschiedenen Koalitionen mit Ausnahme der Jahre 1998 bis 2005 als die rot-grüne Koalition regierte, die allerdings keine andere Politik verfolgte.
Da das Ziel Privatisierung des Klinikums derzeit nicht durchsetzbar ist, wird der Umweg über die Anstalt gesucht. Und zur Beruhigung ist Herr Föll zu Zugeständnissen bereit (Stgt. Ztg online 08.07.18): „Durch einen neuen Vertrag mit dem Personalrat und der Gewerkschaft Verdi sollen die Interessen der Beschäftigten gewahrt werden, verspricht der Bürgermeister. Es gehe nicht um die Senkung von Sozialstandards. Föll: „Das wäre im heutigen Wettbewerb um Personal widersinnig“.“
Das Zitat ist eindeutig: „im heutigen Wettbewerb um Personal“. Sieht es in 10 Jahren anders aus könnte der nächste Schritt in Richtung Privatisierung erfolgen oder auch nur alle Nachteile der Anstalt voll zum Tragen kommen (siehe dazu verdi krankenhausinfo vom Juni 2018)

10 lange – kurze Jahre

2005, als das Klinikum in eine GmbH umgewandelt werden sollte, haben Beschäftigte, verdi und der Personalrat erfolgreich dagegen gekämpft und die GmbH verhindert. Statt einer Umwandlung in eine GmbH wurde der 4 – seitige Vertrag abgeschlossen, der dann 2011 verlängert wurde und bis Ende dieses Jahres gilt. Die Stadt, die Geschäftsführung des Klinikums, verdi und der Personalrat vereinbarten: „Ziel dieses Vertrages ist die Erhaltung und Stabilisierung ausgeglichener Betriebsergebnisse, die Weiterentwicklung einer hochwertigen medizinischen Versorgung und die Respektierung der Interessen der Mitarbeiter/-innen des Klinikums.“ Außerdem ist darin u.a. festgeschrieben: „Zur Sicherung der grundlegenden Interessen der Beschäftigten (…) sichern die Stadt und das Klinikum (…) zu: - die Aufrechterhaltung des Eigenbetriebs.“
Im neuen Vertrag steht nichts mehr von Eigenbetrieb.
Stattdessen steht dort: „Zur Sicherung der grundlegenden Interessen der Mitarbeiter/innen (…) sichern die Landeshauptstadt und das Klinikum (…) zu: Keine Umwandlung in eine private Rechtsform (GmbH, AG). Beschließt der Gemeinderat die Umwandlung in eine Kommunalanstalt, wird diese in Anstaltsträgerschaft der Landeshauptstadt Stuttgart aufrechterhalten.“
Drin steht sie schon mal, die Anstalt.
In einer Anstalt sind u.a. die Mitbestimmungsrechte schwächer und z.B. Privatisierungen leichter umsetzbar. Denn es gibt nicht mehr die Möglichkeit im Rathaus, wie schon öfter, z.B. wegen drohender Privatisierung oder der Auseinandersetzung um die Nachtschichtpausen, auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen.
So hätten wir 2005 die GmbH nicht verhindert, sondern hätten – 10 Jahre soll er gelten, der neue Vertrag – seit 2015 eine GmbH pur.

Keine Information der Beschäftigten durch den Personalrat

Obwohl die Pläne seit langem bekannt sind, dass für über 7 000 Beschäftigte ein Arbeitgeberwechsel ansteht – das einschneidendste Ereignis für die Kolleginnen und Kollegen im Klinikum seit 2005, informierte der Personalrat die Beschäftigten bis heute gar nicht. (Verdi informierte Anfang Juni, der Marburger Bund nicht; einzig durch das „Freie Radio für Stuttgart“ und das Verteilen von Abschriften dieser Sendungen wurden Teile der Beschäftigten informiert).
All diese Vorgänge, vor allem dass der Personalrat, bevor die Beschäftigten überhaupt informiert wurden, oder gar nach ihrer Meinung gefragt wurden, einem Vertrag zustimmte, in dem die Anstalt schon quasi akzeptiert wird, veranlasste mich zur, für mich, einzig möglichen Konsequenz:
Ich bin als Personalrat zurückgetreten.

Noch ist Zeit

Im neuen Vertrag steht auch: „Beschließt der Gemeinderat diese Umwandlung, akzeptieren die Gewerkschaften und der Personalrat diese Entscheidung und werden die Umwandlung konstruktiv begleiten.“
Also sollte verdi, bevor der Gemeinderat beschließt sich überlegen, ob sie den 7 000 Kolleginnen und Kollegen nicht doch ein Sprachroht bietet und z.B. eine Unterschriftenliste initiiert.
Wir wollen städtische Beschäftigte bleiben – Keine Anstalt
Für den Erhalt demokratischer Kontrolle und Transparenz
Wir fordert die Stadträtinnen und Stadträte auf
den Eigenbetrieb Klinikum Stuttgart zu erhalten.

Michael Döcker, Vertrauensmann verdi

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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