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30.08.2018 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Klinikum Stuttgart
Dienstvereinbarung zur freiwilligen Anrufbereitschaft für den Pflegedienst auf Stationen
Eine Art neues Leistungsentgelt – und noch mehr Belastung für das Pflegepersonal ?
Und: Was hat das mit dem 4-Seiten-Vertrag und der Anstalt zu tun ?

Leistungsentgelt?
Seit der Einführung des TvöD gibt es das Leistungsentgelt, das immer im Dezember ausbezahlt wird. Der Gesamtpersonalrat der Stadt und der Personalrat des Klinikums haben erreicht, dass dieses Geld pauschal an alle Beschäftigte, also ohne separaten Leistungsnachweis, ausbezahlt wird. Auch die Gewerkschaft kritisierte, obwohl sie ja die Einführung mit beschlossen hatte, die von den Arbeitgebern gewünschte Ausbezahlung an Einzelne, je nach Leistung. Diese ließe sich, so die Vorstellungen der Arbeitgeber, beispielsweise an der Anzahl der Krankheitstage, der Bereitschaft zu Überstunden und Einspringen und anderen freiwilligen Leistungen festmachen.
Während der Personalrat immer wieder, zu recht, den Erfolg feiert, die pauschale Ausbezahlung des Leistungsentgelts erreicht zu haben, muss er sich jetzt vorwerfen lassen, mit der Dienstvereinbarung zur Anrufbereitschaft eine Art neues, zusätzliches Leistungsentgelt geschaffen zu haben, ganz individuell und je nach Leistung.
Die Bereitschaft an einem freien Tag, zu einer bestimmten Zeit, für eine Stunde telefonisch erreichbar zu sein und bei Bedarf in der folgenden Schicht einzuspringen, wird bezahlt. Kommt es zur Arbeitsaufnahme wird die Arbeitszeit faktorisiert, d.h. es werden mehr Stunden angerechnet als tatsächlich gearbeitet wurden.
Das klingt vordergründig gut und ist für die eine oder den anderen, vor allem für Teilzeitkräfte, vielleicht auch attraktiv. Denn, so der zugrunde liegende Gedanke, die Kolleginnen und Kollegen springen ja ohnehin ein, wenn wegen der schlechten Personalausstattung die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet ist und man die übrig gebliebenen Kolleginnen und Kollegen nicht alleine lassen will. Warum sich das dann nicht wenigstens bezahlen lassen?
Die freiwillige Bereitschaft sich an einem der wenigen freien Tage eine Stunde bereit zu halten um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen ist für Vollzeitbeschäftigte fatal. Geld oder Gesundheit ist da die Frage. Und um die Gesundheit des Pflegepersonals steht es, wie inzwischen wirklich allseits bekannt, nicht gut: Burn-out, es gar nicht lange im Beruf aushalten, nicht loslassen können, Stress, zu wenig Zeit für Regeneration und planbare Freizeit usw. sind zentrale Probleme des Pflegenotstands.
Ganz zu schweigen von dem damit verbundenen Signal an die Arbeitgeber. Da geht doch noch was. Wer sich freiwillig zur Anrufbereitschaft einträgt kann ja gar nicht so überlastet sein, wie es immer heißt; und die planbare Freizeit ist wohl auch nicht so wichtig, wenn man sie sich abkaufen lässt.
Im Klinikum, früher im Bürgerhospital, gab es schon einmal eine Station, die sogar auf die Besetzung einer Stelle verzichtete um sich dann ein Teil des eingesparten Geldes untereinander aufzuteilen. Damals wandte sich der Personalrat entschieden und mit guten Gründen gegen das Modell. Heute wird solches Verhalten eher gefördert. Denn wenn man es zu Ende denkt gibt es die Möglichkeit der Anrufbereitschaft ja nur, wenn nicht genügend Stellen besetzt sind. Gäbe es genügend Stellen, bräuchte es auch keine Anrufbereitschaft zum sogenannten geplanten Einspringen.
Mit der Anrufbereitschaft für Entlastung?
Es gibt immer verschiedene Wege mit Problemen umzugehen. Man kann versuchen sich mit schlechten Bedingungen zu arrangieren und noch das Beste daraus zu machen, oder man kann versuchen die Probleme anzugehen und zu lösen.
An verschiedenen Kliniken, auch in Baden-Württemberg, gab es Streiks für einen Entlastungstarifvertrag. Seit 18. bzw. 20. Juni wird an den Uniklinika Düsseldorf und Essen gestreikt, derzeit läuft ein Schlichtungsverfahren. Die Kolleginnen und Kollegen des Uniklinikums Homburg machen derzeit eine Urabstimmung über einen Streik für einen Entlastungstarifvertrag. Es ist selbstverständliche gewerkschaftliche Solidarität, dass die Gewerkschaft auch die Kolleginnen und Kollegen der nicht streikenden Krankenhäuser über diesen Arbeitskampf informiert und Solidarität einfordert. Das geschieht leider zu wenig.
Im Klinikum Stuttgart ist ein Arbeitskampf für einen Entlastungstarifvertrag derzeit nicht denkbar. Zu sehr sind Personalrat und Gewerkschaft bereit sich mit den Bedingungen zu arrangieren. Wie will denn ernsthaft Druck entwickelt werden, z.B. indem man freiwillige Leistungen nicht mehr erbringt, wenn genau diese extra vergütet werden und einige davon profitieren?

...und was hat das mit dem 4-Seiten-Vertrag und der Anstalt zu tun?
Im 4 Seiten Vertrag zwischen Geschäftsführung, Stadt Stuttgart, Personalrat und den Gewerkschaften verdi und Marburger Bund, der ab nächstes Jahr den auslaufenden Vertrag ersetzen soll heißt es:
„Ziel dieses Vertrags ist das Erreichen eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses ab dem Jahr 2021...“
Ein Anrufbereitschaftsmodell kann da, ein klein wenig, hilfreich sein, weil es immer noch billiger ist, als die Stellen tatsächlich zu besetzen. Derzeit sind im Klinikum über 100 Stellen nicht besetzt. Würden sie besetzt, rückte das Ziel eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses in weite Ferne. Außerdem weiß derzeit niemand, wie es mit der Krankenhausfinanzierung weitergeht.
Während also Personalrat und Gewerkschaften die nicht ausreichende Krankenhausfinanzierung zurecht anprangern, unterschreiben sie einen Vertrag, der sagt, dass ein ausgeglichenes Betriebsergebnis im Klinikum bis 2021 möglich ist.
Die Maßnahmen, die dazu nötig sind, werden dann in der Anstalt, sofern sie der Gemeinderat beschließt, in den Anstaltsgremien nicht-öffentlich und unter Verschwiegenheitspflicht beschlossen.
Nichts Neues möchte man sagen, denn der Beschluss für den 4 Seiten Vertrag wurde seit Anfang dieses Jahres genau so – nicht-öffentlich und unter Verschwiegenheit – vorbereitet. Während der Personalrat Verhandlungen führte und schließlich abschloss, wurden die Beschäftigten gar nicht informiert. Dies geschah erst nach Unterzeichnung des Vertrags auf einer Personalversammlung mit den großen vier, sich einigen Verhandlungspartnern.
Und, auch daran sei nochmals erinnert, Personalrat und Gewerkschaften verpflichten sich im
4-Seiten-Vertrag, wenn der Gemeinderat die Anstalt beschließt, diese zu akzeptieren und die Umwandlung konstruktiv zu begleiten.
Von Beschäftigten, die zunehmend daran gewöhnt werden, von ihren Vertretern so vertreten zu werden, so wohl das Kalkül von Geschäftsführung und Stadt bei den gemachten Zugeständnissen, ist kein großer Widerstand zu erwarten.
Aber – da haben sich viele schon getäuscht.
Im Oktober soll die Anstalt im Gemeinderat beschlossen werden, dann bekommen alle ein Schreiben, dass sie dem Übergang vom Eigenbetrieb zur Anstalt zustimmen sollen.
Der Krankenhausausschuss soll am 12.10., der Verwaltungsausschuss am 24.10. und schließlich der Gemeinderat am 25.10.2018 entscheiden.
Ob es sinnvoll sein kann dem Übergang zu widersprechen und welche Konsequenzen daraus entstehen können, versuchen wir in Erfahrung zu bringen und werden dann darüber informieren.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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