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29.11.2018 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Weitere Sendung am 15:11.
Thema; Klinikum Stuttgart wird gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts
Die Beschäftigte bekamen nun die Unterrichtung über einen Betriebsübergang gemäß § 613a BGB

Die heutige Sendung:
PpSG und PpUGV

Das sind die Abkürzungen für ein Gesetz und eine Verordnung.
PpSG steht für das Pflegepersonalstärkungsgesetz und
PpUGV für die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung

Trotz des Pp am Beginn der Abkürzungen steckt für das Pflegepersonal nicht viel drin.
Der Bundesgesundheitsminister Spahn frohlockt: „Mit der Verabschiedung des Pflege-Sofortprogramms heute im Deutschen Bundestag lösen wir das Versprechen an alle Pflegekräfte in Deutschland ein, ihren Berufsalltag konkret zu verbessern.“ und - es sei ein erster Schritt.
Ein winzig kleiner erster Schritt, wenn überhaupt.

Der PpUGV, der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung zufolge, die am 11.Oktober in Kraft trat,
muss nur das Viertel der Krankenhäuser mit der schlechtesten Personalausstattung aufstocken. Außerdem legt die Verordnung Personaluntergrenzen nur für die vier »pflegesensitiven Bereiche« Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie fest. Eine Befürchtung ist, dass es im Zuge der Verordnung sogar zu einer Verschlechterung der Personalausstattung kommen könnte, wie es in der Verdi-Zeitschrift Publik heißt. Das liege zum Beispiel daran, dass es unklar bleibe, ob Stationsleitungen, die im Arbeitsalltag vor allem organisatorische Aufgaben wahrnehmen, in die Mindestbesetzung eingerechnet sind. Außerdem müssten die ohnehin minimal geplanten Untergrenzen nur im Durchschnitt eingehalten werden und ein Verbot, Pflegepersonal aus anderen Bereichen abzuziehen, um die Verordnung auf den vorgeschriebenen Stationen einzuhalten, gebe es nicht.
Das PpSG, das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das im November beschlossen wurde sieht vor bis Ende August 2019 solche Personaluntergrenzen, auch für z.B. die Bereiche Neurologie und Herzchirurgie festzulegen. Ernstgemeinte Personalbemessung sieht anders aus, zum Beispiel in Form von Personalvorgaben, die sich am Bedarf orientieren und die für alle Stationen und Bereiche gelten. Davon ist das Gesetz weit entfernt.
Ein positiver Aspekt des Gesetzes ist, dass Tarifsteigerungen für die Beschäftigten sowie die Kosten für jede Pflegekraft vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden sollen und die Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen, den DRGs, herausgenommen werden sollen. Dazu Sylvia Bühler, verdi Bundesvorstandsmitglied: „Dadurch wird die Pflege vor den Fehlanreizen dieses Finanzierungssystems geschützt. Das ist ein absolut richtiger Schritt, der auf andere Berufsgruppen im Krankenhaus ausgeweitet werden sollte.“
Michael Simon, Experte für Gesundheitspolitik, bezweifelt aber, dass die Kosten für das Pflegepersonal tatsächlich aus dem DRG-System herausgenommen werden: „Die Regierungskoalition selbst hat einen Änderungsantrag eingebracht, der ausdrücklich klarstellt: Die Vergütung der Pflegekosten soll Teil des pauschalierten Entgeltsystems bleiben.“ Es gebe also deutliche Hinweise darauf, dass dies keine dauerhafte Abkehr vom DRG-System sein soll. „Diesen Verdacht könnte die Bundesregierung ausräumen, indem sie die Pflegekosten anhand der Belegungstage auszahlt.“ Da die Regierung das nicht tue, vermutet Simon, dass sie in ein paar Jahren Pflegepauschalen einführen will.

PpSG und PpUGV sind also keine tauglichen Instrumente zur Entlastung des Personals in den Krankenhäusern.
Wie es besser geht, zeigten die KollegInnen der
Klinik Augsburg
mit Hilfe von verdi:
Nach monatelangen Auseinandersetzungen und drei Warnstreiks hat die Leitung des Klinikums Augsburg nachgegeben und eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft unterzeichnet. Diese orientiert sich weitgehend an den Verträgen, die Verdi zuletzt in den Unikliniken Düsseldorf, Essen und Homburg durchgesetzt hatte. Wir berichteten ausführlich darüber. Die Einigung jetzt in Augsburg kam kurz vor Ende einer dreiwöchigen Urabstimmung zustande, bei der sich insgesamt 93 Prozent der Verdi-Mitglieder für einen Erzwingungsstreik aussprachen.
Verdi Sekretär Stefan Jagel: „Die Kolleginnen und Kollegen haben bei den Warnstreiks gezeigt, dass sie große Teile des Klinikums lahmlegen können. Und mit der Urabstimmung haben sie demonstriert, dass sie das auch über einen längeren Zeitraum tun würden.“
Die erzielte Vereinbarung geht in einzelnen Punkten sogar darüber hinaus, was Verdi in Nordrhein-Westfalen und im Saarland durchsetzen konnte. So sollen die Regelbesetzungen auf den Stationen zwar auch auf Grundlage der aus den 1990er Jahren stammenden Pflegepersonalregelung (PPR) ermittelt werden. Doch soll diese in einigen Aspekten verbessert und an die heutigen Verhältnisse angepasst werden. Sollte die auf dieser Basis ermittelte Regelbesetzung nicht eingehalten werden, folgen automatisch Konsequenzen wie der Einsatz von Leasingkräften oder die Reduzierung von Aufgaben. Bei Überlastungssituationen sollen die Betroffenen zudem, wie am Uniklinikum des Saarlandes, einen Belastungsausgleich bekommen: Nach sieben unterbesetzten Schichten erhalten sie im folgenden Monat einen zusätzlichen freien Tag.

Und im Klinikum Stuttgart?
Im Klinikum Stuttgart ist ein Arbeitskampf für einen Entlastungstarifvertrag derzeit nicht denkbar. Zu sehr sind Personalrat und Gewerkschaft, aber auch die KollegInnen bereit sich mit den Bedingungen zu arrangieren. Nachdem im August die Dienstvereinbarung zur freiwilligen Anrufbereitschaft für den Pflegedienst, eine Art neues Leistungsentgelt, abgeschlossen wurde, folgten im Oktober, auf Antrag der Geschäftsführung, übertarifliche Zulagen für einzelne Bereiche, die für das Geschäft besonders wichtig sind: Hebammen, Intensivstationen und OP und Anästhesie am Standort Mitte.
So dividiert man das Pflegepersonal auseinander. Ein gemeinsames Vorgehen gegen die auf allen Stationen und in allen Bereichen unerträglichen Zustände wird so äußerst schwierig.
Wir berichteten hier im Freien Radio im August und Oktober ausführlich darüber.
Dazu zwei Zitate: Das erste vom August: „Wie will denn ernsthaft Druck entwickelt werden, z.B. indem man freiwillige Leistungen nicht mehr erbringt, wenn genau diese extra vergütet werden und einige davon profitieren?“ und vom Oktober: „Sie [solche Vereinbarungen] dokumentieren, dass derzeit auch viele Personalvertretungen das Problem des Personalnotstands nicht mehr mit möglichst allen Kolleginnen und Kollegen angehen und anprangern wollen und mit Aktionen und Arbeitskampfmaßnahmen dagegen vorgehen wollen, sondern sich soweit arrangiert haben, dass es schon als Erfolg gilt, wenn wenigstens einige Pflegekräfte ein bißchen von den eingesparten Stellen profitieren.“

Übrigens:
Viele unserer Beiträge, die sich mit dem Klinikum und dem Gesundheitswesen befassen, kann man im internet nachlesen.
Zuerst auf die Seite www.freies-radio.de. Dort auf dem Kalender rechts das entsprechende Datum, immer den letzten Donnerstag jedes Monats, suchen und anklicken, dann auf 18 Uhr Inforedaktion gehen, dort steht in einem Kurztext bereits worum es genau geht, und dort einfach nochmals draufklicken und schon öffnet sich der Text. Wenn wir aus Aktualitätsgründen auch an anderen Donnerstagen über Klinikum und Gesundheitswesen berichtet haben, findet sich am letzten Donnerstag des Monats ein Verweis darauf.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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