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25.07.2019 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

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So kann´s gehen.
Aus der Tageszeitung „Junge Welt“
Gemeinsam gekämpft
Beschäftigte an Mainzer Uniklinik lassen sich nicht spalten. Pflegekräfte erhalten rund 20 Prozent mehr Geld
Es war eine in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliche Tarifauseinandersetzung, die Anfang Juli in der Mainzer Uniklinik zu Ende ging. Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde gab es ein Ergebnis – und zwar eines, das sich besonders für Pflegekräfte und Hebammen bezahlt macht. Ihre Gehälter machen teilweise einen Sprung von 20 Prozent und mehr. Erreicht hat Verdi das mit einem neuen »Organizing«-Ansatz, der darauf abzielt, die Breite der Belegschaft in die Tarifbewegung einzubeziehen. Dokumentiert wurde das durch eine beim Verhandlungsauftakt übergebene »Mehrheitspetition«, mit der sich mehr als die Hälfte der rund 7.000 Beschäftigten per Unterschrift hinter die Forderung nach höheren Gehältern und mehr Personal stellten. Zudem engagierten sich 139 Beschäftigte als Teamdelegierte, von denen etliche während des nächtlichen Verhandlungsmarathons dabei waren und in die Entscheidungen einbezogen wurden.
Mit dem in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erzielten Tarifkompromiss sei man der dringend nötigen Aufwertung der Pflegeberufe einen wichtigen Schritt näher gekommen, bilanzierte Verdi-Verhandlungsführer Frank Hutmacher im Anschluss an die Gespräche. Neben der allgemeinen Lohnerhöhung von sieben Prozent in zwei Jahren erhalten examinierte Pflegekräfte mit mindestens einjähriger Betriebszugehörigkeit einen »Treuebonus« von monatlich 300 Euro. »Zunächst wollte der Arbeitgeber das auf diejenigen beschränken, die in der direkten Krankenversorgung am Bett tätig sind«, erläuterte Michael Quetting, Pflegebeauftragter des Verdi-Landesbezirks Rheinland-Pfalz-Saar. »Doch die Teamdelegierten haben diesen Spaltungsversuch zurückgewiesen und darauf bestanden, dass alle Pflegekräfte einen Bonus bekommen.« Das haben sie durchgesetzt, der Bonus gilt ab September 2020 für alle Pflegekräfte, in den bettenführenden Bereichen wird er bereits rückwirkend ab Anfang dieses Jahres bezahlt. Für Pflegekräfte mit Fachweiterbildung verdoppeln sich zudem die Zulagen.
All das summiert sich auf beeindruckende Lohnsteigerungen. So erhält eine Krankenschwester in Entgeltstufe 3 laut Verdi insgesamt 17,24 Prozent mehr Geld. Eine Intensivpflegekraft kommt sogar auf 20,64 Prozent. Hebammen erhalten neben der 300-Euro-Zulage eine Höhergruppierung, weshalb ihr Gehalt um insgesamt 22,29 Prozent steigt. Möglich gemacht haben diese Steigerungsraten nicht nur die Aktionen der Belegschaft, sondern auch die verbesserten Finanzierungsregeln. Laut »Pflegepersonal-Stärkungsgesetz« – das die Bundesregierung unter dem Druck anhaltender Gewerkschaftsproteste beschlossen hat – werden alle Tariferhöhungen für Pflegekräfte vollständig von den Krankenkassen refinanziert. Das ist auch bitter nötig, damit in Zukunft noch genug Arbeitskräfte für den Bereich gewonnen werden können.
»Dieses Ergebnis haben wir in ständiger Rückkoppelung mit den Teamdelegierten der Stationen und Bereiche erreichen können«, betonte Hutmacher, der den Fachbereich Gesundheit im Verdi-Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saar leitet. Und das ist in diesem Fall mehr als eine Floskel. Tatsächlich waren während der gesamten Verhandlungsrunde mehr als 60 Teamdelegierte aus allen Bereichen der Uniklinik anwesend. Sie diskutierten nicht nur intensiv die Verhandlungsstände, sondern trafen auch Entscheidungen – zum Beispiel, dass sie kein Ergebnis akzeptieren würden, das nur einen Teil der Pflegekräfte besserstellt.
»Die Teamdelegierten haben sich nicht spalten oder aufs Glatteis führen lassen, das war absolut beeindruckend«, sagte Quetting. Als der Klinikvorstand versucht habe, das gute Ergebnis durch Kürzungen bei anderen Berufsgruppen zu kompensieren, hätten die Kollegen klare Kante und viel Solidarität gezeigt. »Am Ende haben wir ein tolles Ergebnis erzielt, das echte Aufwertung bringt«, so Quetting. Jetzt fehle noch die Durchsetzung von mehr Personal und Entlastung, die dieses Mal (noch) nicht auf der Agenda stand.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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