22.04.2020 21:00 Uhr Erlesenes - eine monatliche Auslese (eingestellt 11/2020)

Mythos Abendland - Ein missbrauchter und instrumentalisierter Begriff

Hier das zu Schützende, dort die Bedrohung. Eine Weltsicht, eine komplexe Geschichte auf ein einfaches Schema reduziert. In dieser Wertung kommt das eine ohne das andere nicht aus. Der imaginierte Abendländer braucht sein Gegenstück zur Selbstvergewisserung, wie auch der Dschihadist ohne die ohne die "Zionisten" und "Kreuzfahrer" nichts wäre. Das Szenario erleichtert die Mobilisierung der politischen Leidenschaften und die Verteidigung des "Eigenen".
Bei der AfD hat es der Begriff als "abendländische christliche Kultur" in die Präambel des 2016 beschlossenen Parteiprogramms geschafft, näher bestimmt wir er jedoch auch dort nicht.
Vor allem aufgrund ihrer Ablehnung der sozial- und einwanderungspolitischen Haltung der Amtskirchen können sich heutige Rechte ganz ohne das Christentum auf das Abendland beziehen.
"Abendland" hat in der politischen Geschichte bis zu seinem Verschwinden in der zweiten Hälfte des 20. Jh.'s eine Bedeutung, dies sich in wesentlichen Punkten von den Zielen der Pegida, AfD und anderen unterscheidet.
Stationen des Abendland-Mythos: Schisma, Entfremdung zw. byzantinischem Osten und römischen Westen - "Abendland" als Gegenentwurf zur Trennung von Kirche und Staat nach 1789 - "Abendland im 20. Jh.: in Stellung gebracht gegen die UdSSR nach 1917 - Verbindung zum preußischen Urmythos vom Deutschen Ritterorden, Gedanke des Ordensstaates, der sich von Spengler und Moeller von den Bruck bis in den Nationalsozialismus hinein formuliert findet. Der "abendländische" Antibolschewismus als große Chance zur Überwindung der Spaltung zw. protestantischen Hohenzollern und katholischen Hamburgern. In ihm konnte sich das alte "römische" Ressentiment gegen den "byzantinischen" Osten mit dem modernen Antikommunismus und der rassistischen Beschwörung eine Mongolensturms vereinigen.
Weitere historische Etappen: a) Faschismus und Abendland b) "Abendland" als Kampfbegriff im Kalten Krieg. c) heute: "Abendland" im Osten

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