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27.08.2020 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

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Neues aus der Anstalt – Klinikum Stuttgart
1. Einen Tag Corona Zusatzurlaub für städtische Beschäftigte
Zum 1.1.2019 wurde das städtische Klinikum in eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts – kurz Anstalt – umgewandelt. Seitdem sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums keine städtischen Beschäftigten mehr, sondern Beschäftigte der Anstalt.
Und was wurde damals nicht alles versprochen - nicht nur vom Oberbürgermeister der Stadt und der Geschäftsführung des Klinikums, sondern auch von Verdi und dem Personalrat. Sowohl auf der großen Personalversammlung in der Liederhalle im Juli 2018 als auch schriftlich wurde versichert, dass sich für 10 Jahre nichts verschlechtern würde für die Klinikumsbeschäftgten und sie weiterhin so behandelt würden, als seien sie noch städtische Beschäftigte.
Im 4-Seiten Vertrag, der am 10. Juli 2018 vom OB, der Geschäftsführung des Klinikums, dem Personalrat,Verdi und dem Marburger Bund unterschrieben wurde ist unter Punkt 10 e geregelt:
„Die Mitarbeiter/innen werden beim Wechsel zwischen Klinikum und Landeshauptstadt und umgekehrt so behandelt, als würde kein Arbeitgeberwechsel stattfinden.“
Den Zusatzurlaub gibt es aber doch nur für städtische Beschäftigte – im Klinikum bekommen ihn nur die Beamten und diejenigen, die dem Übergang zur Anstalt widersprochen haben.
Das erinnert an Franz Müntefering, der als SPD-Chef einst befand, dass es unfair sei nach einer Wahl an die Versprechen vor der Wahl zu erinnern.
Im Klinikum gab es zwar keine Wahl, aber trotzdem will nun niemand mehr etwas davon wissen was vor der Anstaltsgründung versprochen – und danach sogar als Vertrag abgeschlossen wurde.

2. Aufzüge
Wie lange dauert es bis ein defekter Aufzug in einem Kaufhaus repariert wird? Ein, zwei Stunden, vielleicht einen Tag, eine Woche?
Nun, ein Krankenhaus ist kein Kaufhaus.
In der Psychiatrie (damit es besser klingt heißt die Psychiatrie „Zentrum für Seelische Gesundheit“) ist der Aufzug im C Trakt schon über drei Wochen außer Betrieb. Zwar sind die Stationen noch über den Aufzug im D Trakt zu erreichen, allerdings nur mit deutlichem Mehraufwand: Umwege, weil manche Stationen geschlossen sind mit zusätzlichem Türen auf-und zuschließen und mit Wartezeit, weil der D Aufzug natürlich überlastet ist.
Da sollte dann besser nichts passieren.
Drei Wochen sind allerdings gar nichts, wenn man an den Aufzug im Laborgebäude denkt. Der ist schon seit Monaten außer Betrieb.

3. Elekrische Spinde – oder: Nachhaltigkeit in der Anstalt
Während alle Welt von Energie sparen, Umweltschutz und Fridays for future redet, geht die Anstalt eigene Wege. Es gibt nun einen Testlauf für elektrische Spinde mit Akkus (damit auch ein Stromausfall überbrückt werden kann).
Was also bislang einfach ein Spind war, zum Öffnen mittels eines Schlüssels, wird nun elektrisch.
Der Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose und Akkus wachsen auf den Bäumen.
Schön, dass für diese Innovation die Geschäftsführung mit der Personalratsvorsitzenden gleich ein Werbevideo ins Intranet gestellt hat.

Tarifrunde öffentlicher Dienst
Am Dienstag, den 25. August, verkündete Verdi die Forderung für die anstehende Tarifrunde:
4,8 Prozent, mindestens 150 Euro im Monat mehr für alle, 100 € für Azubis und 39 Stunden Arbeitszeit auch im Osten. Es soll auch ein eigener Verhandlungstisch für das Gesundheitswesen und die Pflege eingefordert werden.

Dass es überhaupt jetzt zur Tarifrunde kommt, war bis Mitte Juni unklar.
Die Verdi Tarifkommission hatte erst Mitte Juni beschlossen die Entgelttabellen zum TvöD zum 31.08.20 zu kündigen. Das, nachdem Verdi zuvor in einem Sondierungsgespräch mit der VKA (Vereinigungder kommunalen Arbeitgeberverbände) das Ziel hatte „...auf die Herausforderungen in Zeiten der Corona Krise zu reagieren und mit der Arbeitgeberseite Handlungsspielräume auszuloten.“ Und schon Mitte Mai war in der Gewerkschaft über einen Kurzläufertarifvertrag diskutiert worden. Mit Hinweis auf das Jahr 2010: „Auch 2010 gab es zur Wirtschafts-und Finanzkrise angepasste Abschlüsse.“ Das waren dann 1,2 % für 2010 und 1,1% für 2011. Außerdem, so Verdi im Mai sei es „...nicht vorstellbar, dass in Kitas, Jobcentern gestreikt wird.“
Wer so in ein Vorgespräch zur Tarifrunde mit der Arbeitgeberseite geht, demonstriert nicht gerade Stärke und Durchsetzungskraft, sondern offenbart damit, davon auszugehen, dass die Arbeitgeberseite auch an das Märchen glauben würde, in dem alle im selben Boot sitzen und man doch gemeinsam vernünftige Lösungen finden könne.
Für die VKA dürfte spätestens damit klar geworden sein, dass sich Verdi mit einer Tarifauseinandersetzung schwer tun wird und hat demzufolge eine Übergangslösung wegen der Corona Pandemie abgelehnt. Mehr noch: im Krankenhaus Info von Verdi steht: „Die kommunalen Arbeitgeberverbände hätten am liebsten eine Nullrunde für 3 volle Jahre, denn allein Arbeitsplatzsicherheit reiche doch schließlich aus.“
Die Arbeitgeber gehen also davon aus, dass die Beschäftigten mit ihrer Gewerkschaft infolge der Krise nicht imstande sind, ihre berechtigten Interessen durchzusetzen.
Dass sie sich da mal nur nicht täuschen.
Nach der Kündigung der Entgelttabellen Mitte Juni musste dann alles sehr schnell gehen, da es bis dahin weder eine Forderungsdebatte noch eine Mobilisierung gab. Mitte Juli haben dann auch die Mitglieder im Klinikum ihre Forderungen aufgestellt. Diese allerdings wurden nie schriftlich veröffentlich – nur mündlich durfte darüber gesprochen werden. Schriftlich aber sei die Gefahr zu groß, dass manche meinten dies sei schon die offizielle Forderung, und, wenn man bei den Mitgliedern Begehrlichkeiten wecke, die dann nicht erfüllt würden, würde man sie frustrieren. So geht Gewerkschaftsarbeit im dem Märchen in dem alle in einem Boot sitzen und die Funktionäre ihren Mitgliedern und den Beschäftigten nur sehr sehr wenig zutrauen.
Und auch der Hinweis, dass die Arbeitgeber eine Nullrunde für drei Jahre wollen, weckt Erinnerungen an das Jahr 2006 als die Arbeitgeber die Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden forderten. Verdi feierte das Ergebnis am Ende als „zwei Drittel Sieg“, obwohl die Arbeitgeber trotz sechs Wochen Streik ein Drittel der geforderten Arbeitszeitverlängerung durchsetzen konnten (von 38,5 auf 39 Stunden). Nach dieser Logik wäre in der jetzigen Tarifrunde alles, was mehr ist als drei Jahre Nullrunde, auch wieder ein Erfolg.
Diesmal aber reicht auch nicht der übliche Kompromiss nach Verhandlungsritual, an dessen Ende so ungefähr ein Drittel bis die Hälfte dessen steht, was ursprünglich gefordert war.
Es liegt jetzt an den Verdi Mitgliedern mit Mobilisierung, Aktionen und Arbeitskampfmaßnahmen dafür zu sorgen, dass möglichst viel der leider viel zu niedrigen Forderung umgesetzt wird und am Verhandlungstisch Gesundheitswesen und Pflege auch tatsächliche Verbesserungen beschlossen werden und nicht wie bei der letzten Tarifrunde nur unverbindliche Willenserklärungen herauskommen. Denn z.B. auf die Einrechnung der Pause bei Wechselschicht und die Erhöhung der Samstagszulage (was die Krankenhausbeschäftigten wenigstens den anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst gleich stellen würde) warten wir schon zwei Jahre.
Inzwischen hat Bundesgesundheitsminister Spahn, wie verdi in einer Pressemitteilung veröffentlichte, auch einen Corona Bonus für Pflegekräfte in Aussicht gestellt. Wären das wie bei den AltenpflerInnen 1500 €, wäre es mehr als bei dieser Tarifrunde herauskommen wird, selbst wenn jemand glaubt es würden sogar 100 € von den geforderten 150 € durchgesetzt. So gibt sich die Gewerkschaftsforderung selbst der Lächerlichkeit preis.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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