Direkt zum Inhalt
Bild
Radiobanner

29.04.2021 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Bild

Corona und Klinikum Stuttgart
Doppelt demaskiert

Maske 1:
Seit über einem Jahr versucht die Geschäftsführung des Klinikums, also der Vorstand und auch die Pflegedirektion, mittels Rundmails an die Beschäftigten den Eindruck zu erwecken, dass ihnen nicht nur eine transparente Informationspolitik wichtig sei, sondern dass sie sich auch um das Wohl der Beschäftigten sorgten. Und dazu gab es ja noch den gemeinsamen Tanz ... .
Wir haben hier in der Inforedaktion mehrfach über diese teils peinlichen Mails und Aktionen berichtet - und viele Beschäftigte hatten sich schon gedacht, dass diese ungewohnte Fürsorge ihres Arbeitgebers doch nicht ganz ehrlich gemeint sein kann.
Es scheint, sie hatten Recht:
Nun berichtete das Personalratsinfo „Zur Sache“ vom 11. März 2021, dass bereits im April 2020 der Personaldirektor den Entwurf einer Dienstvereinbarung vorlegte, der dem Arbeitgeber Klinikum eine weitgehend freie Verfügungsgewalt über Arbeitszeit, Überstunden, Minusstunden und Urlaub seiner Beschäftigten ermöglicht hätte. So etwas ist natürlich immer mit der Geschäftsführung und Pflegedirektion abgesprochen.
Fällt also die „Fürsorgemaske“, kommt das wahre Gesicht zum Vorschein.

Maske 2:
Gut, dass der Personalrat dieses Ansinnen zurückwies, gut, dass er dies nun auch öffentlich gemacht hat.
Warum aber erst nach einem Jahr? Und was für Informationen gab es vor einem Jahr?

Im April 2020 also der Angriff auf unsere Rechte.
Im März 2020 noch das PR-Info in dem der Geschäftsführung „ganz herzlich“ für die Informationspolitik gedankt wird.
Im April 2020 und im Juli 2020 jeweils ein PR-Info, in dem der Eindruck erweckt wurde, es gäbe gar keinen Angriff auf unsere Rechte, sondern der Personalrat sei überrascht. Dort heißt es: „Den Personalrat erreichen immer wieder Berichte, dass der Abbau von Überstunden bzw. sogar das
Planen ins Minus ohne Einverständnis der Betroffenen vorgenommen wird.“
Kein Wort von der vorgelegten Dienstvereinbarung. Dabei hätte der Personalrat wissen können, wie das läuft: die Oberen erwägen massive Verschlechterungen, die Hierarchiestufen darunter setzen es, leider viel zu oft, kritiklos um, der Rest ist bekannt.
Und genau davor hätten die Beschäftigten geschützt werden können, indem ihnen die dafür nötigen Informationen - nämlich, dass gerade ein Angriff auf diese Rechte geplant ist - auch gegeben worden wären. Das Verschweigen von wichtigen Informationen durch den Personalrat erlebten wir zuletzt im Jahr vor der Anstaltsgründung.
Fällt die „für die Rechte der Beschäftigten - Maske“ kommt das „im Zweifel mit der Geschäftsführung - Gesicht“ zum Vorschein.

Genug zu tun, genügend Fragen zu stellen

Nur ein paar Beispiele:

  • Trotz Corona wird im Bedarfsfall einfach ein dritter Patient in ein 2-Bett-Zimmer geschoben. Der hat dann keine Patientenklingel und gelüftet werden kann auch nicht,da das dritte Bett direkt vor dem Fenster steht.
  • In Betrieben mit Kontakt zu anderen Personen wird meist 2x/Woche getestet, in Kitas oft 1x/Tag, im Klinikum meist nur 1x/Woche.
  • Umkleiden sind nur schwierig zu lüften. Im Psychiatriebau gibt es gar kein Fenster, dafür eine minimale Zwangslüftung.
  • Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellten mittels einer repräsentativen Befragung von über 1 500 Betrieben im August 2020 fest, dass lediglich 58 % der Betriebe die Reinigungsintervalle für gemeinsam genutzte Räume verkürzt haben. ...und im Klinikum?
    Die Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) empfiehlt bei MNB (Mund-Nasen-Bedeckung) eine maximale Tragedauer von 2 Stunden mit anschließender 30-minütiger Erholungsunterbrechung. ....und im Klinikum?

Corona - für Beschäftigte im Gesundheitswesen besonders brisant

  • Anfang April stellte „Amnesty international“ ihren Jahresbericht vor. Demnach starben weltweit mindestens 17 000 Beschäftigte im Gesundheitswesen. „Es ist bezeichnend, dass statistisch betrachtet im letzten Jahr alle 30 Minuten eine in diesem Bereich arbeitende Person mit COVID 19 gestorben ist.“, so der Generalsekretär der Deutschen AI Sektion.
    Eine Auswertung der Techniker Krankenkasse zeigte, dass Menschen in Pflegeberufen besonders häufig wegen einer Coronainfektion krankgeschrieben wurden:
    Pro 100 000 Beschäftigten in der Haus-und Familienpflege - also u.a. den ambulanten Pflegediensten waren es 1 242. Pro 100 000 Beschäftigten in der Altenpflege 1 205. Pro 100 000 Beschäftigten in der Krankenpflege 1 101.
    Das ist über das Doppelte des bundesweiten Durchschnitts von 500 pro 100 000.
  • Im Dezember 2020 hatte der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte (DBfK) bundesweit 3 600 Pflegekräfte befragt. Das Ergebnis: fast jede Dritte (32,1 %) überlegt den Beruf zu wechseln. Fast 9 000 taten dies allein zwischen Mai und Juli 2020. Die Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke hatte dafür bei der Bundesanstalt für Arbeit die verfügbaren Daten erbeten und ausgewertet: aus der Altenpflege gaben demnach 3 900, aus der Krankenpflege 5 000 KollegInnen ihren Beruf auf..
  • Bereits 2018, also noch ohne Corona, stellte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fest, dass auf 100 offene Stellen in der Pflege nur 22 Bewerber kommen. Das IW schätzt den zusätzlichen Bedarf bis 2035 auf 150 000 Pflegekräfte, so dass insgesamt dann 500 000 Stellen nicht besetzt werden könnten. Auch deswegen ging Spahn vor zwei Jahren auf Werbetour im Ausland und schloss Abkommen mit den Philippinen und Mexiko. Diese Option dürfte aber in Zukunft entfallen: Der International Council of Nurses (ICN) wies darauf hin, dass weltweit zuwenig Menschen in der Pflege arbeiten. Bereits vor der Pandemie hätten sechs Millionen gefehlt, mit der Pandemie habe ein Exodus aus dem Beruf eingesetzt. Bis 2030 gingen vier Millionen Pflegekräfte in Rente, gleichzeitig würden immer mehr von ihnen benötigt.
  • Die EU-Kommission schätzt laut Ärztezeitung vom 26.02. in einer Studie, dass bis 2030 allein in den Ländern der EU elf Millionen zusätzliche Pflegekräfte gebraucht würden.
Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

Nachricht zur Sendung

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin damit einverstanden, dass meine Eingaben gespeichert werden und ich bei Bedarf per E-Mail kontaktiert werde. Diese Einwilligung kann ich für die Zukunft jederzeit per E-Mail an internet@freies-radio.de widerrufen.