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23.09.2021 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

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Corona - Von „QuerdenkerInnen“, CoronaleugnerInnen, ImpfgegnerInnen und
Corona Maßnahmen im Klinikum Stuttgart

Vorweg:
Jede und jeder muss selbst entscheiden, ob sie oder er sich impfen lässt oder nicht. Niemand sollte dazu gezwungen werden. Da reicht auch, sich einfach nicht impfen lassen zu wollen. Neben guten Gründen herrschen im öffentlichen Diskurs v.a. aber nicht nachvollziehbare Begründungen vor.

„QuerdenkerInnen“
Viele, die praktisch jegliche Corona Maßnahmen ablehnen, bezeichnen sich gerne selbst als „QuerdenkerInnen“, eine Bezeichnung, die oft auch von Presse, Rundfunk und Fernsehen benutzt wird.„Querdenken“ bedeutet eigentlich, dass man nicht in eingefahrenen, vorgegebenen Mustern denkt, sondern beim Denken auch nicht gleich ersichtliche Zusammenhänge einbezieht und so ein Problem umfassend beleuchtet. Wenn hier also schon überhaupt vom Denken gesprochen werden soll, „QuerdenkerInnen“ sind die meisten nicht, eher vielleicht „Nicht“ -,„Wenig“- oder „Oberflächlich-DenkerInnen“.
Häufig als Argument bemüht wird, dass auch geimpfte Menschen krank werden können, auch Geimpfte sich anstecken können und sie auch Corona übertragen können. Das ist unstrittig.
Daraus aber den Rückschluss zu ziehen, dass Impfen folglich nichts bringe, ist schlichtweg falsch und bezeugt, dass nur minimal nachgedacht wurde.
Ja, auch in 30 km/h Zonen vor Kindergärten oder Schulen können Kinder schwer verletzt oder durch AutofahrerInnen getötet werden. Niemand käme auf den Rückschluss, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung also doch nichts nutze und man genau so gut an den Schulen wieder vorbeirasen könne.
Unstrittig ist auch, dass inzwischen auf den Intensiv-Stationen vorwiegend ungeimpfte Menschen liegen, sie also viel schwerer erkranken als Geimpfte. Und, auch das dürfte allgemein bekannt sein: die Inzidenz ist bei Ungeimpften signifikant höher als bei Geimpften, eine Ansteckung Anderer also wahrscheinlicher.

„CoronaleugnerInnen“
Auch diese Bezeichnung stimmt nur in den allerwenigsten Fällen, denn viele leugnen ja nicht, dass es Corona überhaupt gibt. Sie gehen häufig davon aus, dass sie so bewusst, gesund und im entsprechenden Wohlstand leben, dass sie von Corona nicht betroffen sind. Häufig reden sie dann von „4G“, das vierte „G“ für gesund. Wo bleibt da das solidarische Verhalten, in diesem Fall Rücksicht gegenüber z.B. Schwächeren, Immunsuprimierten, Alten oder Vorerkrankten? Diese meist elitäre Haltung ist bei AnthroposophInnen mit ihren eigenen Kindergärten, Schulen und Universitäten oft besonders ausgeprägt. Was kümmert der Rest der Menschheit, wenn das rassistische Weltbild ihres „Obergurus“ Rudolf Steiner die Grundlage ist. (Wer bleich werden will, braucht nur im Internet „Rudolf Steiner“ und „Arier“ oder „Neger“ eingeben).
In vielen Ländern warten die Menschen auf Impfstoffe. Welch ein Luxus hier einfach „Nein“ zu sagen. Welch imperiale Lebensweise. Hier wurden letztes Jahr zusätzlich über 13000 Intensivbetten bereitgestellt, in 43 Ländern Afrikas gibt es dagegen laut WHO zusammen weniger als 5000 Intensivbetten.

ImpfgegnerInnen und PharmakritererInnen
Auch diese Bezeichnung passt oft nicht. Denn es gibt ja genug ImpfgegnerInnen, die sich trotzdem impfen lassen, aus Solidarität mit denen, die leichter erkranken und schwerer erkranken, und mit denen, die diese Menschen dann auf Intensiv-Stationen behandeln.
Misstrauen gegen die Pharmaindustrie ist durchaus angebracht. Oft genug entpuppten sich als sicher angepriesene Medikamente als schwer schädigend (am bekanntesten wohl Contergan). Und: die neuen Impfstoffe (meist Vektor oder mRNA) verursachen Nebenwirkungen, die, vor allem langfristig, noch nicht abzuschätzen sind.
Das Geschäft der Pharmaindustrie, und nicht nur dieser Industrie, war schon immer möglichst viel Gewinn zu machen. Deswegen wird nicht für Medikamente für den globalen Süden geforscht, sondern lieber für Medikamente, die häufig kaum größeren Nutzen haben, sich dafür aber gut verkaufen lassen, da zahlungskräftige MetropolenbewohnerInnen ihr Geld dafür ausgeben (z.B. Insuline). Und: jedes Pharmaunternehmen muss so vorgehen, denn wer die durchschnittliche Rendite nicht erzielt, verschwindet früher oder später vom Markt.
Das Zwang, der hinter diesen Gesetzmäßigkeiten steht, heißt Kapitalismus.
Übrigens: von 2016 bis 2020 gaben die 14 größten Pharmakonzerne 578 Mrd US Dollar für Manager und Aktionäre aus, dagegen 522 Mrd US Dollar für die Forschung, so eine Untersuchung des US Kongresses.

Immer wieder: neue Anti-Corona Maßnahmen, auch im Klinikum
Wie dilettantisch die Regierung letztes Jahr vorging und immer noch vorgeht (fehlende Masken, kaum Impfstoff, Lockdowns, widersprüchliche Vorgaben, keine Luftfilter für Schulen, usw) ist bekannt.
Heute haben viele das Gefühl, dass es bei den aktuellen Maßnahmen vor allem darum geht, den Druck auf Ungeimpfte zu verstärken um sie so zum Impfen zu bewegen.
Der arbeitstägliche Corona Schnelltest für Ungeimpfte gehört aus o.g. Gründen nicht vollständig dazu - oder doch? Denn richtig absurd wird es, wenn bei höherer Intensivbettenbelegung dann „2G“ für Gaststätten und Veranstaltungen gelten soll, am Arbeitsplatz dann aber doch ein Schnelltest ausreicht.
Absurd geht es weiter: Ungeimpfte, die wegen eines positiven Befundes in Quarantäne müssen, sollen keinen Lohn mehr bekommen. Manche, die sich über die Ungeimpften ärgern, finden das ok. Aber Vorsicht: der nächste Schritt könnte sein bei vielen Erkrankungen das unsolidarische Prinzip „selber schuld“ durchzusetzen: wer nicht Influenza geimpft ist und krank wird, wer Gleitschirm fliegt, Motorrad fährt, Fußball spielt und sich verletzt, wer raucht oder Alkohol trinkt und krank wird, alle „selber schuld“.
Weiter ist zu bedenken, ob angesichts des drohenden Lohnausfalls ein Test verschwiegen werden könnte. Damit ist dann niemand gedient.

Und im Klinikum
Die Anstaltsleitung kann nichts für die gesetzlichen Vorgaben. Dass sie aber auf nichts anderes kommt, als mit möglichst wenig Aufwand und schwammigen Anweisungen die formalen Vorgaben zu erfüllen, ist zu wenig: Die jeweiligen Vorgesetzten (also z.B. Stationsleitungen, müssen den Impfstatus ihrer KollegInnen erfassen und die Schnelltests kontrollieren, die alle Ungeimpften vor Arbeitsaufnahme machen müssen. Beste Voraussetzungen für ein gutes Miteinander? Und unglaublich, diese Verantwortung den Vorgesetzten zuzuschieben. Doch werden damit nicht nur hochsensible Gesundheitsdaten dem/der Vorgesetzten bekannt, die dann per Email versendet werden und irgendwo sicher, ja ganz sicher gespeichert werden. Im Fall der Fälle ist die Anstaltsleitung fein raus - sie haben die Verantwortung ja nach unten delegiert. Ob dann „genesene“ KollegInnen wegen der Gefahr von „Long Covid“ in der Zukunft bei der Besetzung einer vakanten Leitungsstelle benachteiligt werden? Aber doch nicht bei uns…
Wie oft kontrolliert werden soll, ob wegen der Schnelltests die Übergaben in der Pflege 15 Minuten später stattfinden, also z.B. die Nachtschicht dann 15 Minuten länger bleiben muss, usw., alles bleibt offen, dann verbrennt man sich nicht die Finger und verantwortlich sind die, die dann etwas „falsch“ machen.
Allen Corona Maßnahmen im Klinikum zum Hohn ist die tatsächliche Situation auf vielen Stationen.
Während die psychiatrischen Stationen schon mit 20 Patienten voll belegt sind, also der Platz für Patienten und Personal eng wird, sind oft 24 Planbetten vorgesehen. Nun ist es aber so, dass diese Stationen dann immer wieder bis 6 (sechs!) Überbetten, also insgesamt 30 Patienten beherbergen. Da braucht es eigentlich gar keine Corona Regeln mehr, da dort ohnehin nichts mehr eingehalten werden kann. Eigentlich sollten die KollegInnen dort immer eine Gefährdungsanzeige stellen, doch da daraus meist nichts folgt, haben es viele eingestellt oder ihnen reicht die Zeit dafür nicht.
Ein Skandal? Mitnichten! Ärztliche Leitung, Pflegerische Leitung, alle wissen Bescheid, niemand tut was. Ja, auch dem Datenschutzbeauftragten der Anstalt sind diese Fakten bekannt, und auch der Personalrat ist informiert und involviert. Er trägt so ziemlich alles, was die Anstaltsleitung von ihm will mit und hat die klassische Abnickerrolle eingenommen. Früher waren neue KollegInnen positiv überrascht über einen aktiven Personalrat, der die Interessen der Beschäftigten vertrat und schützte und der auf die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze bestand. Heute fragen neue KollegInnen entweder, ob es überhaupt einen Personalrat gibt oder warum man nur so wenig von ihm hört. Das muss wieder anders werden!

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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