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30.09.2021 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

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Streik bei Charité und Vivantes in Berlin geht in die dritte Woche!
Seit mehr als zwei Wochen bereits befinden sich Kolleg*innen an den landeseigenen Krankenhäusern Charité und Vivantes, sowie den ausgegliederten Servicebetrieben bei Vivantes im unbefristeten Streik.
Die zwei brennenden Punkte, für die Kolleg*innen kämpfen, sind:

  • Entlastung auf den Stationen und in den Bereichen durch bessere Personalausstattung und
  • ein Ende der viel zu niedrigen Bezahlung bei den Vivantes-Töchtern.
    Diese Forderungen sind seit dem 12. Mai 2021, dem Tag der Pflege, bekannt. Eine Mehrheit der Beschäftigten hatte sie unterschrieben und es wurde ein 100-Tage-Ultimatum an die „Arbeitgeber“ und den rot-rot-grünen Senat gestellt: Entweder die Forderungen werden erfüllt, oder es kommt zum Streik. Dieses Ultimatum ließen Arbeitgeber und die Verantwortlichen in der Landesregierung verstreichen. Zunächst gingen die Beschäftigten dann in einen Warnstreik.
    Die Vivantes-Geschäftsführung versuchte zunächst mit einstweiligen Verfügungen gegen den Streik vorzugehen. Nach zwei Warnstreiktagen wurden diese gekippt. Noch immer gab es aber keine Angebote. Daher traten die KollegInnen am 9. September gemeinsam in den unbefristeten Streik. Dafür gab es überwältigende Zustimmung bei der Urabstimmung. Vor und während des Streiks sind mehr als zweitausend Beschäftigte der Gewerkschaft ver.di beigetreten.
    Die Vivantes-Geschäftsführung verweigerte Verhandlungen während des Streiks. Doch dazu waren die KollegInnen, die sich über Teamdelegierten-Strukturen beraten, nicht bereit. Inzwischen konnte zumindest die komplette Blockadehaltung durchbrochen werden.
    Aber: Am vergangenen Wochenende sind erneut Verhandlungen zwischen Verdi und dem Management der Berliner Kliniken Charité und Vivantes gescheitert.
    „Das bisherige Arbeitgeberangebot zur Personalbesetzung lässt viele Bereiche außen vor und ist in anderen noch unzureichend“, kommentierte Gewerkschaftssekretär Oliver Bandosz von Verdi.

Charitè
Bei Charité wird also zumindest Bereitschaft signalisiert: die Geschäftsführung verhandelt mittlerweile über einen sanktionierten Pflegeschlüssel. Die Idee: Für jede Schicht mit zuwenig Personal bekommen die Beschäftigten einen Belastungspunkt. Sechs Punkte können dann in einen zusätzlichen Urlaubstag umgewandelt werden. Tarifverträge zum Beispiel an den Uniklinika Jena und Mainz zeigen dass dies möglich ist. Hier gibt es Freizeitausgleich, sobald jemand in einer Schicht arbeiten muss, in der weniger Personal im Dienst ist.
Vivantes
Ganz anders sieht es bei den Verhandlungen um den TVöD für die Tochterunternehmen aus.
In einer Pressemitteilung teilte Vivantes mit, der Konzern habe einen Stufenplan zur Angleichung der Entgelte an den TVöD vorgeschlagen. Ein Hinweis fehlte: Die Maßnahme soll erst ab 2028 greifen – und auch nur, wenn es „die ökonomische Situation von Vivantes“ zulässt, so ein Mitglied der Tarifkommission nach den Verhandlungen am vergangenen Freitag. Auch die Struktur des TVöD wollte Vivantes nicht übernehmen. Die höchsten Lohngruppen sollen abgeschafft werden. Die wohl dreisteste Forderung: Als Gegenleistung verlangt Vivantes eine absolute Friedenspflicht. Streiks sollen in den nächsten sieben Jahren verboten sein.
Das alles ist auch politisch ein Skandal, da das Land Berlin unter rot-rot-grüner Regierung Eigentümer von Vivantes und Charité ist und in der Koalitionsvereinbarung vor fünf Jahren sogar die Rückführung aller Tochterunternehmen in die landeseigenen Krankenhäuser als Ziel vereinbart wurde.
Streikdemokratie
Die Kampfbereitschaft ist groß. Eine Vivantes-Pflegerin wird in der Tageszeitung „Junge Welt“ zitiert: „Wir werden das nicht für einen faulen Kompromiss aufgeben“. Ein wichtiger Unterschied zu anderen Kämpfen ist, dass die Tarifkommission nicht eigenständig Entscheidungen treffen kann, sondern die Zustimmung von Delegierten aus den verschiedenen Bereichen braucht. „Dieses System macht den Arbeitskampf zu einem wirklich demokratischen Prozess“.
Auch wenn Beschäftige von Vivantes und Charité, der Mutterkonzerne und der Töchter zusammen kämpfen, werden doch drei unterschiedliche Tarifverhandlungen geführt. Wenn die Charité einen Tarifvertrag Entlastung abschließt, erhöht das den Druck auf Vivantes. Dass dadurch die Streikenden gespalten werden könnten, scheint unwahrscheinlich.
Das geht alle an
Die Auseinandersetzung hat eine gesellschaftspolitische Dimension. Es geht um die Ausrichtung und Finanzierung des Gesundheitswesens. Ver.di fordert daher richtigerweise ein Ende des Fallpauschalensystems und eine gesetzliche Personalbemessung. Dazu muss auch die Profitorientierung im gesamten Gesundheitswesen beseitig werden. Das heißt ein Ende der Krankenhausprivatisierung, die Rücknahme von bereits privatisierten Krankenhäusern und ausgegliederten Bereichen in die öffentliche Hand.
Solidarität
Gerade Streiks wie aktuell in Berlin bieten die Möglichkeit, mehr Öffentlichkeit zu schaffen und auch in die Betriebe hinein zu tragen. Die Verantwortung für das Organisieren von breiter Solidarität und der Verbreiterung hin zu einer gesellschaftspolitischen Bewegung liegt bei den Gewerkschaften. Das Potenzial dafür ist da und Ideen auch: Die VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) fordert u.a.:

  • ein Infoflugblatt für Betriebe zu drucken und die Verteilung systematisch zu organisieren.
  • Zu einer weiteren Großdemonstration zu mobilisieren
  • und ein offenes gewerkschaftliches Unterstützungskomitee zu gründen, das die Unterstützung der Streikbewegung durch die DGB-Gewerkschaften organisiert.
    Bislang ist davon leider nichts umgesetzt. Das muss sich ändern.
    Und im Klinikum?
    In den Personalversammlungen Ende 2019 stellten Personalrat und Anstaltsleitung in Aussicht eine Entlastungsvereinbarung im ersten Quartal 2020 zu erarbeiten und abzuschließen.
    Nun hat der Personalrat im Juli 2021 eine Dienstvereinbarung Arbeitsschutz vorgelegt um im ersten Schritt für das Pflegepersonal bei „Guter Arbeit Gute Pflege“ verwirklichen zu können.
    Allein die Bitte an die Krankenhausleitung diese Dienstvereinbarung „durch ihre Unterschriften in Kraft zu setzen“ und die KollegInnen „über Verhandlungen und Ergebnisse auf dem Laufenden halten“ (alles aus PR Info „Zur Sache“ 5/2021) wird nicht ausreichen. Wie es gehen kann, zeigen die Kolleginnen und Kollegen aus Berlin. Und auch im Klinikum muss es nun in diese Richtung gehen.

Anstieg der Inflationsrate undTariferhöhung = Reallohnverlust
„Der Verbraucherpreisindex misst monatlich die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen. Die Veränderung des Verbraucherpreisindex zum Vorjahresmonat bzw. zum Vorjahr wird als Teuerungsrate oder als Inflationsrate bezeichnet.“( Statistisches Bundesamt)

Laut Statistischem Bundesamt stieg zwischen August 2021 und August 2020
die Inflationsrate insgesamt um +3,9%.
Darunter die Verbraucherpreise Energie, sie stiegen um +12,6 % und
die Verbraucherpreise Nahrungsmittel, sie stiegen um +4,6%.
Im April 21 stiegen die Löhne um +1,4 %.
Im April 22 steigen die Löhne um weitere +1,8% - außerdem werden die Pflegezulage um 50 € und die Jahressonderzahlung bis EG8 um 5 % erhöht.
Wer hätte schon weissagen können, dass die Inflationsrate wieder ansteigt?
Wenigstens gibt es für schlechte Ergebnisse immer gute Ausreden.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

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