Direkt zum Inhalt
Bild
Radiobanner

23.02.2023 18:00 Uhr Inforedaktion: AG Weiße Fabrik

Bild

Streiks in Westeuropa

Frankreich
Der Widerstand der Franzosen gegen die von der rechten Regierung geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bei mindestens 44 Jahren Beitragszahlung bleibt ungebrochen.
Am vierten großen Kampftag der französischen Bevölkerung am 11. Februar protestierten mehr als 2,5 Millionen Menschen. Die acht großen Gewerkschaftsverbände gehen dabei erstmals wieder gemeinsam und geeint - auch mit Generalstreiks - gegen die Regierungspläne vor. Und der Großteil der Bevölkeung, nach Umfragen mehr als 75 %, lehnt Macrons Prestigeobjekt ebenfalls ab.

Und in Deutschland?
Der Kampf der Franzosen gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters wird in den deutschen Leitmedien nur spärlich erwähnt – auch die deutschen Gewerkschaften halten sich zurück. Immerin hat Verdi Ende Januar eine Pressemitteilung dazu verfasst. Darin heißt es:
„Die Pläne der Regierung von Emmanuel Macron sind bedrohlich für die Menschen in Frankreich und dürfen nicht zu einem weiteren schlechten Beispiel für die Lösung angeblicher Probleme mit den Altersrenten in anderen Ländern – vor allem aber auch in Deutschland – werden. Deswegen stehen wir an der Seite der französischen Gewerkschaften in ihrem Kampf gegen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit.“ so der Verdi Vorsitzende Frank Werneke.
Moment mal. Wie ist das Renteneintrittsalter in Deutschland? 67 Jahre!
Kann sich jemand an Generalstreiks und Massenmobilisierung dagegen erinnern?
Ach ja, Generalstreiks sind in Deutschland doch verboten. Und an die Gesetze halten sich deutsche Gewerkschaften selbstverständlich – sie versuchen auch erst gar nicht daran etwas zu ändern.

DGB auf der Seite des Kapitals
Auf welcher Seite sich der DGB befindet, wird an den Aussagen der DGB Chefin Yasmin Fahimi deutlich. Sie kritisiert, ganz im Sinne der großen Kapitalverbände, die Bundesregierung, welche die Boni und Dividendenausschüttung bei Konzernen, die über die Gaspreisbremse mehr als 50 Millionen Euro aus der Staatskasse bekommen haben, aussetzen will. Zitat Fahimi: „Aber jetzt ist nicht die Zeit für grundsätzliche kapitalismuskritische Debatten“ und „Das sind die normalen Mechanismen der Marktwirtschaft“.
Und so sieht die Marktwirtschaft aus: Laut dem Oxfam-Report hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung seit 2020 rund zwei Drittel des globalen Vermögenszuwachses kassiert – nämlich 63 %. Die Geldelite in Deutschland hat noch besser abgeschnitten. Hier gingen 83 % an das reichste Prozent.
Und die großen fünf der Ölindustrie - Shell und BP in Großbritannien, Exxon Mobil und Chevron in den USA, Total Energies in Frankreich - melden Rekordgewinne. Alle zusammen im letzten Jahr geschätzt rund 190 Milliarden US-Dollar. Klar, auch da steigen die Dividenden – allein Shell schüttete 2022 rund 26 Milliarden US-Dollar an seine Aktionäre aus.
Auch das dürfte für die DGB Vorsitzende Fahimi unter ´normaler Mechanismus der Marktwirtschaft´ fallen, woraus sich bitte keine ´kaptalismuskritische Debatte` entwickeln sollte.

Und jetzt: Tarifverhandlungen bei uns
10,5 % mehr, mindestens 500 €, Laufzeit 1 Jahr – das sind die zentralen Forderungen, an denen sich Verdi messen lassen muss.
Gestern und heute fand die zweite Verhandlungsrunde statt. In vielen Städten gab es bereits Warnstreiks, in Stuttgart u.a. den Warnstreik der Müllabfuhr – im Klinikum noch nichts. Das bleibt aber nicht so!
Wenn Verdi Chef Werneke in der Rheinischen Post vom Dienstag eine Ausweitung der Streikmaßnahmen in Aussicht stellt ist das gut. Wenn er am vergangenen Sonntag in der FAZ erklärt man könne sich bei eine „wirklich guten Angebot“ auch „schnell einigen“ lässt dies befürchten, dass der Kompromiss schon im Kopf ist...so was wie ein paar Prozent mehr für 2 Jahre.
Der Eindruck, dass es den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen mehr darum geht, was den Beschäftigten zugemutet werden kann, als darum, was es zu erkämpfen gibt, würde sich dann erneut bestätigen.
Ob das wieder so abläuft, liegt aber auch an den einzelnen Gewerkschaftsmitgliedern, die sich auch von ihrer Führung nicht mehr alles gefallen lassen sollten.

Großbritannien
Auch im Vereinigten Königreich geht die Gehaltsschere weiter auseinander: Inmitten der größten Arbeitskämpfe seit 1989, einer enormen Lebenshaltungskrise und einer Inflationsrate von knapp zwölf Prozent werden die britischen Spitzenverdiener immer reicher. Der diesjährige High-Pay-Day fand bereits am 5. Januar statt.
Der High-Pay-Day ist eine Initiative der britischen Denkfabrik High Pay Centre (HPC). Er findet statt, sobald die CEOs, das sind die Chief Executive Officer, auf deutsch Vorstandsvorsitzende oder Hauptgeschäftsführer, der 100 größten Unternehmen an der Londoner Börse, ein durchschnittliches britisches Jahreseinkommen „verdient“ haben. Im vergangenen Jahr fiel der Zeitpunkt noch auf 9 Uhr morgens am 7. Januar. Dieses Jahr werden die CEOs bereits am 5. Januar um 12 Uhr mittags so viel verdient haben, wie ein durchschnittlicher Brite im ganzen Jahr. Die zur Berechnung herangezogenen Daten sammelt das HPC aus frei zugänglichen Unternehmensberichten und Regierungsinformationen.
In Großbritannien soll außerdem das Streikrecht massiv verschärft werden.

Portugal
Unbeachtet von den Konzernmedien findet in Portugal zur Zeit eine Reihe von Streiks und Demonstrationen statt, die das Land jeden zweiten Tag lahmlegen. Mitte Februar rief der größte Gewerkschaftsbund CGTP zu einem landesweiten Protesttag in verschiedenen Bereichen innerhalb des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft auf. In mindestens 16 Städten bildeten sich Demonstrationszüge. Die Portugiesen fordern höhere Löhne und Renten, einen Ausgleich für die Inflation sowie unterschiedliche Verbesserungen – je nach Sektor. In zahlreichen öffentlichen und privaten Arbeitsstätten fanden Kundgebungen statt.
Auch im Bahnverkehr gab es Arbeitsniederlegungen. Es fuhren lediglich sieben Züge von geplanten 1.182.
Die portugiesischen Lehrer, die seit Monaten protestieren, haben erneut einen Streik für den 2. und 3. März angekündigt. 150.000 von ihnen demonstrierten in Lissabon.
Am 8. und 9. März werden die Ärztinnen und Ärzte streiken.
Auch in anderen öffentlichen Bereichen hat es Streiks gegeben, etwa bei den Notaren Anfang des Jahres oder der staatliche Fluggesellschaft TAP im Dezember.

Spanien
Im Februar fand die zweite große Demonstration von Patienten und medizinischem Personal innerhalb weniger Monate statt. Staatliche Stellen gingen von 250.000 Menschen aus, die Organisatoren sprachen von einer Million Menschen.

Eine Ausgabe der Sendung Inforedaktion: AG Weiße Fabrik.

Nachricht zur Sendung

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und bin damit einverstanden, dass meine Eingaben gespeichert werden und ich bei Bedarf per E-Mail kontaktiert werde. Diese Einwilligung kann ich für die Zukunft jederzeit per E-Mail an internet@freies-radio.de widerrufen.